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Montag, 16. Oktober 2023

Die Wurzel [*u-] im Uab Meto


Die Wortwurzel [*u-] (BI pokok oder asal-usul) und seine Derivate un, uk und uf implizieren ein Konzept, das einen gemeinsamen Ursprung (un mese, ein Stamm) impliziert.

[*u-] botanisch

Un ist die Einheit von Baumstamm und Wurzel. Das Uab Meto unterscheidet terminologisch nicht zwischen beiden Baumsegmenten. Zwischen Baumstamm, Strauch und Staude wird ebenfalls nicht streng differenziert. Un ist der Terminus, der den Stamm der verschiedenen Baumarten bezeichnet:

Kiu un, Stamm der Tamarinde;
nunu un, Stamm des Waringin;
lete un, Stamm des Letebaums.

Timors Söhne und Ich


Feldforschung als Begegnung

Obwohl der Entstehungszusammenhang ethnologischer Daten meist verschämt verschwiegen oder nur explizit angedeutet wird, bewegt sich ethnographische Forschung doch immer zwischen den beiden Polen der Subjektivität des Wissenschaftlers und seinem Bemühen, die in fremden Kulturen gesammelten Daten nach dem Reglement zu präsentieren, das ihm seine Wissenschaft vorschreibt. Ironisch getönt findet Vincent Capranzano für diesen Konflikt die geeignete Formel, indem er den Ethnographen mit dem Götterboten Hermes vergleicht: Als Hermes die Aufgabe des Götterboten übernahm, versprach er Zeus nicht zu lügen. Aber er versprach nicht, die ganze Wahrheit zu sagen. Zeus verstand. Der Ethnograph nicht.

Freitag, 28. Juli 2023

Ein Totenritual in Leti


Die nachfolgenden Texte entstanden in der Nacht vom 25. Oktober 1991 während der drei Tage andauernden Begräbnisfeierlichkeiten in Leti, Mauleum (Ostamanuban). Felipus Lanu`, der Schwiegervater von Abraham A. Sakan war gestorben. Ohne Absprache mit der Trauergemeinde nahm mich Abraham mit nach Leti, was nicht allen Anwesenden gefiel, sodass ich von einigen Phasen des Rituals ausgeschlossen wurde.
Die von mir in Leti dokumentierten Reden sind dennoch aufschlussreich. Im Gegensatz zu den weitaus elaborierteren Kuan-Fatu-Texten stellen sie eine degenerierte Form der rituellen Rede dar, die ich in meiner grundlegenden Untersuchung der Tonis-Dichtungen in Amanuban, Die Kuan-Fatu-Chronik, als Pseudo-Tonis beschrieben habe.
Pseudo-Tonis-Texte unterscheiden sich von Tonis-Dichtungen durch die größere Einfachheit der Syntax und des verwendeten rituellen Registers. Grammatisch-parallele Wortpaare werden unvollständig eingesetzt oder semantisch an die moderne oder alltagssprachliche Verwendung angepasst. Pseudo-Tonis zeichnet sich auch durch das Fehlen des die Rede legitimierenden Chorschlusses aus.

Ich kam an späten Nachmittag im Gehöft der Lanu` in Leti an. Der verstorbene Felipus Lanu`, einer der Honoratioren des Weilers, lag, in mehrere lagen ikatgemusterte Textilien eingehüllt, unter dem großen Lopo des Hofes. An beiden Seiten seines aufgebahrten Leichnams saßen trauernde Verwandte, die seinen Übergang in eine andere Existenz begleiteten.
Nach Einbruch der Dunkelheit versammelten sich agnat und affinal verwandte Männer am Lopo, Karbidlampen wurden entzündet und Gespräche geführt. Erst später am Abend begannen die Sprecher der verschiedenen sozialen Gruppen damit, die unten dokumentieren Reden zu halten.

Montag, 30. November 2020

Die Verrotzten und Verheulten


Der Tod gehört zu den Unvermeidlichkeiten der menschlichen Existenz. Die griechische Lyrik nennt die Menschen die dem Tage ausgesetzten (ephemeroi) und Heidegger spricht von der Endlichkeit menschlicher Existenz. Die Gestaltung des Sterbens und der Umgang mit dem Verstorbenen sind kulturspezifisch unterschiedlich. In der Auseinandersetzung mit dem Tod entwickelt jede Kultur eigene Strategien der Tröstung. Bei uns verliert das Sterben zunehmend seine Bedeutung als Angelegenheit der ganzen Familie. Immer seltener versammeln sich die mütterlichen und väterlichen Verwandten um die im Hause aufgebahrte Leiche, finden Trost und Hoffnung in der gemeinsamen Klage, und organisieren und zelebrieren Trauerzug, Begräbnis und Totenmahl als wichtige Bestandteile des letzten Übergangsrituals, das der bewussten Erfahrung des Menschen zugänglich ist.

Dienstag, 3. November 2020

Ein Yogin im Hinterland


Simon Petrus ist ein Asket. Ein Übender. Ein sich bewusst Werdender. Simon Petrus ist ein Mensch. Was ist er noch? Er ist ein Banamtuan, ein Herr von Banam. Und als ein Banamtuan schaut er auf eine Reihe bedeutender Ahnen zurück. Banam heißt heute Amanuban, ein Landkreis der modernen indonesischen Bürokratie. Im Herzen Westtimors gelegen, eine Savanne: ein hügeliges Land, sanfte Hänge, schroff abfallende Schluchten, bizarre Felsformationen, die Fatu heißen, Skulpturen, von urzeitlichen Bildhauern in die Landschaft geschlagen. Fantastisch!

Donnerstag, 17. September 2020

TV-Shooting im Sonaf


Wenn du in Rom bist, sei wie ein Römer!, gibt Clifford Geertz dem Ethnologen im Feld mit auf den Weg. Geertz und seine Frau, die an illegalen Hahnenkämpfen teilnahmen, gerieten in eine Razzia, die sie mit ihren balinesischen Mitmenschen in eine panische Flucht trieb. So seltsam es klingen mag, aber genau diese kuriose Situation bildete für sie den Einstieg in die dörfliche Gemeinschaft. Ein guter Rat, der mir im Laufe der Monate meine Arbeit in Amanuban sehr erleichtert hat.
Eine der unvorhersehbaren, nicht bewusst oder absichtlich herbeizuführenden Voraussetzungen für eine ethnologische Feldforschung ist die Notwendigkeit, von der Gastkultur aufgenommen und akzeptiert zu werden. Von meinen Bemühungen und von meiner Ahnungslosigkeit, mich in die Gastkultur der Atoin Meto zu intergrieren, erzähle ich in meinem Indonesischen Tagebuch, das den Beginn einer nicht gut genug vorbereiteten Feldforschung schildert. Auch der zuletzt unvermeidbare Betelkonsum gehörte dazu.

Dienstag, 18. August 2020

Myth-Historische Männerbilder


Luirai und Sonba`i. Zwei Namen, die in den unterschiedlichen Herkunftsmythen der Atoin Meto eine besondere Rollen spielen. Sie repräsentieren ein kulturspezifisches Ideal von Männlichkeit und bieten einen Kristallisationspunkt historischen Ursprungs. Weiter zurück geht es in den historischen Überlieferungen der Atoin Meto nicht. Meine Informationen über diese beiden myth-historischen, indonesischen Herrscher in West- und Zentraltimor stammen aus den exegetischen Interviews mit Johan Christian Sapay aus Nakmofa, einem Weiler im Dorf Kiufatu, im Landkreis Südamanuban. Ich gebe Sapays Verständnis der Geschichte der Atoin Meto so wieder, wie er sie mir berichtet hat. Manches deckt sich mit den ethnographischen Quellen, die von niederländischen Reisenden, Kolonialbeamten, Missionaren und später auch von Wissenschaftlern stammen, einiges steht dazu in Widerspruch. Sapays Bericht ist die klanzentrische Version der Domäne Kuan Fatu in Südamanuban. Die vergangenen historischen Ereignisse erscheinen in seiner Version fragmentarisch und volkstümlich. Anderswo existieren mit Sicherheit andere Lesarten, denn eine allen Atoin Meto eigene Geschichte gibt es momentan noch nicht. Weitere Forschungen sind erforderlich um Kenntnislücken zu schließen und das vorhandene Wissen zu systematisieren, um eines Tages die Geschichte der Atoin Meto schreiben zu können.

Donnerstag, 13. August 2020

Biographie und ethnologische Begegnung


Unter Biographie verstehe ich die diachrone Beschreibung eines Lebens, die auf einen bestimmten Stimulus hin und auf ein Gegenüber produziert wird. Biographische Texte sind ein Produkt von Interaktion. Aus diesen Grund sind sie alles andere als quantifizierbare Wirklichkeit. Deshalb bestehen biographische Informationen, von wem auch immer

  • aus einem Konglomerat von erinnerten, als markant  gewerteten Ereignissen eines Lebenslaufs, auf die  Ereignisse, auf die ein Leben kondensiert;
  • aus einer Ko-Produktion der Interaktion von Erzähler und Zuhörer, wobei jeder an der Entstehung dieser bestimmten Biographie, die jeweils erzählt wird, einen Anteil hat;
  • aus einer abschließende Auswertung und Interpretation der produzierten biographischen Texte durch den Zuhörer.

In seiner Philosophie geht es Hermann Diltheys um die Erfassung des ganzen Menschen, die ihn aus seiner in Laboratoriumssituation und naturwissenschaftlichem Verfahren reduzierten Existenz befreien will. Unter diesem Leitmotiv versteht er die Betrachtung des Gesamtzusammenhangs menschlichen Lebens, den andere methodische Ansätze, die nur einzelne Aspekte des menschlichen Lebens betrachten, vernachlässigen. Ein hoher, wenn auch geerechtfertigter Ansatz, den ich in den fragmentarischen biographischen Splittern der homophilen Weber, von Abraham Sakan oder Simon Petrus Banamtuan nicht leisten will. Insofern erhebe ich keinen Anspruch auf die Erhebung einer Gesamtbiographie oder auf die Re-Produktion vergangener faktischer Wirklichkeiten. Es geht mir vielmehr um eine Auseinandersetzung mit meiner subjektiven Befindlichkeit hinsichtlich bestimmter Ereignisse der Begegnung. Diese erachte ich allerdings als markant, für den Ethnologen und seinen Informanten, da sie soziale und psychische Auswirkungen auf beider Leben erlangt. Meine Versuche biographischen Schreibens im Rahmen einer ethnologischen Begegnung verstehe ich als Fragmente dessen, was Leben in Amanuban bedeuten kann.

Sonntag, 12. Juli 2020

Rituelle Begrüßung in Amanuban


Nach dem Essen wird wieder Betel herumgereicht. Seit alle wissen, dass ich Betel esse, will es auch jeder sehen. Mit klammheimlicher Freude beobachten die Männer meine unbeholfenen Versuche, mit Mühe aus der kugelrunden, glasigen, beige-weiß gemusterten Arekanuss, der hellgrünen Frucht des Betelpfeffers, lang wie eine Bohne und der Prise gelöschten Kalks, die zuletzt unter die feuchte Masse in meinem Mund gemischt wird, um einen einigermaßen kaubaren Pfriem zu bekommen. Die Frauen, die kauend im Hintergrund sitzen, spähen verstohlen zu mir herüber. Nur die Kinder stehen mit offenem Mund und verdutzten Gesichtern im Raum. Sie sind die einzigen, denen es die Etikette gestattet, ihre Gefühle offen zur Schau zu stellen. Aber niemand sagt etwas oder bringt mich in Verlegenheit. Wir alle tun so, als es ob nichts Besonderes zu sehen gibt. Ich spüre das leise Lächeln, das um ihre Augen liegt, mehr als das ich es sehe. Der Respekt, den ich ihrer Kultur zolle, spiegelt sich dagegen deutlich in ihren erstaunten Minen. Belustigt wie sie sind, schätzen sie mich sehr, weil ich diesen Brauch mit ihnen teile.

Sonntag, 5. Juli 2020

Krokodile in Timor


Ich habe lange darüber nachgedacht, in Amanuban viele Fragen gestellt und viel Unverständnis geerntet, weil ich mich für Dinge interessierte, über die man nicht gerne sprach. Jemand aus dem Westen, der fortschrittlichen, modernen Welt, jemand aus dem christlichen Abendland, das als vorbildlich gilt. Aber ich habe Hinweise gefunden und Bestätigung erhalten. Das Ergebnis ist mager, und muss durch Intuition und Schlussfolgerungen unterfüttert werden, durch manch bizarre Bemerkung aus der ethnographischen Literatur, die sich, nachgefragt, aufklärt. Nun ist es mit schriftlosen Kulturen viel zu oft so, dass bei der Rekonstruktion kultureller Überzeugungen und materieller Hinterlassenschaften wenige Spuren ausreichen müssen.

Freitag, 12. Juni 2020

Nur ein gekrümmter Haken?


Textilien, besonders, wenn es sich bei ihnen um eine Tracht handelt, machen Aussagen über kulturelle Vorstellungen und Überzeugungen, über allgemein geteilte Normen und Werte im Sinne eines Common sense. Die textile Ikonographie der Atoin Meto besitzt einen kulturellen Bezugsrahmen, denn es handelt sich bei den verwendeten Basismotiven nicht um Privatsymbole, sondern sie beziehen sich auf ihre ethnische Identität und fördern ethnisches Selbstverständnis und ethnische Selbstdarstellung Die Bedeutung ihres Motivrepertoires war einst allgemein verständlich, da es ihren Ort in den Ritualen des Lebenszyklus sowie den religiösen Überzeugungen hatte. Viel ist davon nicht übriggeblieben.

Sonntag, 31. Mai 2020

Was textile Muster wissen


Das System der symbolischen Klassifikation der Atoin Meto Amanubans wirkt sich nicht nur in ihren kognitiven Überzeugungen, sondern auch im Bereich der materialisierten Kultur aus. Gerade ihre Tracht, die Ritualtextilien, zeigt deutlich, wie eine bestimmte Flächengestaltung, eine spezielle Ornamentik und Farbpräferenz dazu verwendet werden kann, eine kulturspezische Weltanschauung in materiellen Objekten sichtbar zu machen, sie für die Gemeinschaft zu visualisieren, erinnerungsfähig und damit kommunikabel zugestalten.
Die charakterisierenden Merkmale der Ornamentik der Ritualtextilien der Atoin Meto beziehen sich auf drei interdependente Aspekte der Gewebe:

Samstag, 14. März 2020

Textilmanufaktur Mellu


Ich kam nach Amanuban, um die Bedeutung der Ikonographie der Tracht der Atoin Meto zu verstehen. Es muss Ende der 1970er Jahre gewesen sein, ich befand mich mitten in meinem Studium der Völkerkunde an der Albertus-Magnus-Universität zu Köln. Waldemar Stöhr war damals Kurator am Rautenstrauch-Joest-Museum und mit Ostindonesien befasst. Von ihm stammt die spannende Studie über die altindonesischen Kulturen, die mich beeindruckt und beeinflusst hat. Und auch die Ausstellung über diese Kulturen war sein Werk, ganz oben, fast verstaubt, unter dem Dach des Museums untergebracht. Ich war damals noch naiv und unerfahren, glaubte, ein Studium der Völkerkunde habe mit Abenteuern in fremden Ländern zu tun, dachte wahrscheinlich an Reisende, Forscher und Entdecker, an eine Mischung aus 1001 und eine Nacht, an Fenimore Cooper, F. Gerstecker oder Karl May in Personalunion. Das war am Anfang dieser Disziplin nicht viel gewesen, in 18., 19. und frühen 20. Jahrhundert. Ende des 20. Jahrhunderts hatten die dürren Fakten über die Inspiration gesiegt. Das Fiktive, Imaginäre, Visionäre und Mysteriöse, da weder wirtschaftlich noch politisch verwertbar, führte in der Ethnologie nur noch ein Schattendasein. Lediglich seinen Unterhaltungswert leugnete man nicht.

Montag, 17. Februar 2020

Das Eigene und das Fremde


Die Atoin Meto verwenden zwei Begriffe, die dazu dienen, die Erfahrungen in und mit ihrer Umgebung in Vertrautes, Einheimisches, schon immer Gewesenes und Bekanntes sowie neu Erworbenes, Fremdes und Unbekanntes zu ordnen:

Montag, 13. Januar 2020

Ein Greenhorn in Amarasi


Für meinen ersten Ausflug aus dem Schutz der Stadt wähle ich Baun, eine Ortschaft im Regierungsbezirk Kupang; Landkreis Westamarasi. Dieses Mal will ich es allein versuchen, auf dem Land, mich von jeglicher Bevormundung durch Nachbarn oder Behörden befreien. Keine Empfehlung mehr, nicht mehr an die Hand genommen werden von Gutmenschen, die glauben, besser zu wissen, wonach ich suche, als ich selbst. Meine Versuche, eine Basis für meine Forschung zu finden, waren bisher enttäuschend. Es fällt mir noch immer schwer, mich für eine Region, eine bestimmte Ortschaft, zu entscheiden. Forschende, die sich von einer örtlichen Institution den Weg weisen lassen, haben es einfacher. Mir war es wichtig, nicht als Repräsentant von Irgendwem zu erscheinen. Trotz allem stellte es sich als sehr schwierig heraus, diese Rolle schließlich los loszuwerden.

Dienstag, 3. September 2019

In Kupang


Denpasar, Bali. Der Flughafen heiß I Gusti Ngurah Rai, nach dem Nationalhelden Ngurah Rai. Der Name des Flughafens erinnert an einen adeligen Befreiungskämpfer, einen Gusti, der den Niederländern die Stirn geboten hat. Noch war Timor nur eine Idee. Abflug von Denpasar nach Kupang. Gemischte Gefühle, die nächste Etappe meiner Forschungsreise ins Innere einer unkalkulierbaren Fremde. Eine Reise ins Ungewisse, von der meine balinesischen Freunde vermuteten, sie koste mich das Leben.

Samstag, 24. August 2019

Amanuban und ich


Es ist Jahrzehnte her. Immer häufiger tauchen Gedanken an jene Zeit wie flüchtige Schatten auf einer Leinwand auf. Wer inszeniert dieses Schattenspiel, entwirft die Figuren, schreibt das Skript? Auf ihrer Jenseitsreise bringen Helden an der Pforte zur Unterwelt Blutopfer dar, wenige Tropfen nur, aber sie reichen aus, ihre Rückkehr zu sichern. Was ist wichtig? Was kostet es mich, in meine Erinnerungen zu tauchen, um Vergangenes sichtbar zu machen? Zuerst sehe ich nur Fragmente meiner Jahre in Amanuban. Während des Schreibens füllen sich allmählich die Lücken. Einst Erlebtes wird zum konkreten Bild. Persönliche Mythen mischen sich mit realer Biographie. Zwischen die Zeilen gestreute Zeit. Inzwischen glaube ich selbst an meine eigenen Legenden, wie ein Kind, an die Möglichkeit ferner Welten. Die Seele ist ein weites Land, in das die Träume fliehen. Verstaubte Notizen in Tagebüchern und Zettelkästen fließen in die Seiten, wo sie sich im Licht der Wirklichkeit vermischen. Viele Jahre später.

Freitag, 2. August 2019

Im Westen Timors


Timor. Warum musste es ausgerechnet Timor sein? Vielleicht weil die Insel so weit entfernt von Deutschland lag, sodass sie meine Vorstellungen von Exotik überstieg. Timor repräsentierte für mich die Fremde an sich. Fast schon Südsee. Ich wollte fort aus den engen Städten mit ihren Vorschriften und Regeln. Ausbrechen aus der Kreativität und Lebendigkeit erstickenden Routine des universitären Alltags. Ich wollte anders sein und anders leben. Mir selbst fremd werden und mich in der Fremde wiederfinden. Anders sein als in den Jahren theoretischer Wissenschaft. Ich wollte dorthin, wo das Wissen zu finden ist. Mit Haut und Haar eintauchen in die ethnologische Praxis.

Samstag, 13. Juli 2019

Schichten und Geschichten


Das moderne Zeitalter des Ferntourismus mit seinem Phänomen des Massentourismus, der Urlauber bequem an jedes Ziel und in jede fremde Kultur weltweit befördert, sorgt gleichzeitig dafür, dass der Tourist so wenig Kontakt wie möglich mit der Fremde bekommt. Das war schon einmal anders, damals als die ersten Reisenden sich ihre Wege noch selbst bahnen mussten, oft unter erheblichen Entbehrungen. Was sie erlebten, hat sich tief in ihre Persönlichkeit eingegraben, und sie unwiderruflich verändert. Heutzutage findet selbst der Weltreisende oft nur seine eigenen Erwartungen, sodass er sich auch in der Fremde wie zu Hause fühlen kann. Der Ethnologe, wie der Reisende, der er ist, hinterfragt sich in der Bewegung.

Sonntag, 7. Juli 2019

Einstimmung


Ich glaube, dass der Ethnologe ehrlicher und zugleich auch wissenschaftlicher handelt, der diese Aspekte mitreflektiert, statt den letztlich fruchtlosen Versuch zu unternehmen, für die wissenschaftliche Öffentlichkeit sorgfältig das Intersubjektive aus dem Subjektiven und dieses Verfahren dann durch Totschweigen ungeschehen zu machen, nur um sich und den Lesern die Illusion reiner Wissenschaftlichkeit zu gönnen.
Justus Stagl

Amanuban Mon Amour öffnet den Blick auf ein hierzulande weitgehend unbekanntes Land, auf ein fernes Land, in dem die Menschen eine farbenprächtige Kleidung tragen, mich an ihrem Leben teilnehmen ließen und zum Betelessen verführten. Menschen, die in Versen von ihrer Vergangenheit erzählten. Ich war zuhause bei Menschen, die zwischen den Zeiten lebten, die in mehreren Identitäten zuhause waren, traditionell bleiben wollten und modern sein mussten, um im westlich gewordenen Indonesien nicht abgehängt zu werden.
Meine Forschungen zur Kultur der Atoin Meto Amanubans habe ich in bisher drei Schritten - als Printversion oder Weblog - publiziert: