Sonntag, 29. September 2024

Krieg in Anas


Vorbemerkung

1512 erreichte der portugiesische Seefahrer António de Abreu als erster Europäer die Insel Timor auf der Suche nach den Gewürzinseln. Portugal errichtete zuerst einige Garnisonen und Handelsposten in der Bucht von Kupang, dem besten natürlichen Hafen der gesamten Insel. Die zerklüfteten Nord- und Südküsten boten keine geschützte Reede für die großen Segelschiffe und den Umschlag von Waren. 1640 errichteten die Niederländer in der Nähe des heutigen Kupang ihre erste Festung im äußersten Westen Timors, und als die Bedrohung durch die Niederländer zunahm, bauten die Portugiesen ihre Stellungen aus. Die Konkurrenz der beiden Seemächte begründete die politische Teilung der Insel. Die Portugiesen begannen 1642 unter Francisco Fernandes mit einer groß angelegten Invasion um ihre Kontrolle auf das Inselinnere auszuweiten. Die Macht der Kolonialmächte war im Westen Timors zunächst begrenzt und sie waren in erster Linie auf ihre timoresischen Verbündeten angewiesen. Im Verlauf der Jahrhunderte verdrängten die Niederländer die Portugiesen in den Osten der Insel und versuchten sich im auch im Zentrum der Insel festzusetzen, führten zahlreiche Kriege, schlossen Militär- und Handelsabkommen mit lokalen Herrschern ab, die gebrochen wurden, erneuert wurden, und zu immer neuen militärischen Auseinandersetzungen führten. Im östlichen Hinterland Westtimors, besonders in den südöstlichen und nordöstlichen Territorien der modernen Kecamatan Amanuban und Amanatun, konnte den Widerstand gegen die vordringende Kolonialmacht bis ins frühe 20. Jahrhundert aufrechterhalten werden. Die in diesem Blogbeitrag dokumentierten Kriege in Anas bilden eine Teil dieser Auseinandersetzungen um die Unabhängigkeit des Königreichs Anas ab, dessen Territorium heute das nordöstliche Amanatun bildet (Kecamatan Amanatun Utara).
Die Daten, die ich in diesem Beitrag zusammenfassend darstelle, stammen aus mehreren Interviews, die ich vom 3. bis 5. Juni 1992 mit Neno Aleksander Nesnay, Ana Anderias Tafuli sowie Nino Simon Petrus Tafuli in Snok und Lilo, Anas, geführt habe. Den Namen meines Gastgebers verwende ich in zwei verschiedenen Schreibweisen - Nesnay oder Nesnai - denn das [-y] ist inzwischen als moderne Attitüde üblich geworden. Nesnai benutze ich immer dann, wenn der Kontext historisch ist. Die Interviews in Anas wurden eine Woche vorher von Misstro Boimau`, meinem Feldassistenten, in Lilo verabredet und vorbereitet, der verwandtschaftliche Beziehungen zur Namengruppe Tafuli besaß, die die Kontaktaufnahme und die Interviewdurchführung begünstigten. Misstro vereinbarte einen Satz von Interviews mit Neno Nesnay, Beamter der indonesischen Kecamatan-Verwaltung von Amanatun Utara in Ayotupas, dessen Unterstützung als offizieller Beamter für Aktivitäten dieser Art in Westtimor erforderlich sind. Ohne, wenn auch lockere Kontrolle, war ethnologische Feldforschung in diesen Jahren in Westtimor nicht möglich. Neno Nesnay war nicht nur Beamter in der lokalen Administration, er war ebenfalls amtierender Pemangku Adat in Lilo, und, was am wichtigsten war, seine Namenguppe hatte früher das Amt des Usif, des regionalen Herrschers inne, dass sich auf die vor-indonesische politische Organisation bezieht. Neno Nesnay war also der Mann, der alle die Beziehungen und Kontakte besaß, die auf ein vernünftiges Ergebnis hoffen ließen. Neben Neno Nesnay nahm Ana Anderias Tafuli aus Snok an den Interviews teil. Inoffiziell bekleidete er das Amt des Mafefa (der einen Mund besitzt), des Sprechers des Usif in der indigenen politischen Organisation, der Funktionsträger also, der der Bewahrer der historischen Überlieferungen war und in gewisser Weise noch immer ist. In seiner Funktion als Sprecher ist Ana Tafuli in indigener Auffassung poitan teli ma tamtan teli (Türschwelle und Türsturz) beziehungsweise eno ma toi ma lanan (Tor und Weg), derjenige, der einst die Gäste des Usif empfing und für ihn (rituell) sprach. Der Parallelismus der rituellen Rede, poitan teli / tamtan sutai, bezeichnet in Amanuban den Ort, wo der Mafefa rituell spricht, nämlich auf der Schwelle und unter dem Sturz, der Grenze zwischen außen und innen, dem Fremden und Vertrauten. Als eine Art Adjudant begleitet Ana Tafuli den Pemangku Adat auf seinen Dienstreisen. Der dritte Teilnehmer an meiner Interview-Session war Nino Simon Petrus Tafuli aus Lilo, der im indigenen politischen System die Position eines Meo ana für die Namengruppe Nesnai bekleidete. In Lilo ist er als Makono mnasi bekannt, eine Umschreibung seiner einstigen Funktion als Krieger-Kopfjäger. Die Bezeichnung makono ist von fin ma kono abgeleitet, die sich darauf bezieht, dass der Meo vorwärts und vorbei stürmt, das Land erobert und die Ernte der Köpfe einbringt. Darüber hinaus ist er der Atoin amaf unseres Gastgebers, das heißt, er steht zu ihm in einer Brautgeber-Brautnehmer-Beziehung.
Neno Nesnay bat mich um eine Vorbereitung sowie die Aufklärung über die Themen meiner Interviews, die Misstro mit ihm vorab diskutierte, sodass er genügend Zeit hatte, sich auf das Arbeitstreffen vorzubereiten. Die Themen, die ich für dieses Treffen vorschlug, und die er autorisierte, waren:

  • Überlieferungen über die Kriege zwischen Tkesnai (Anas) und Tubani Nope (Banam) sowie
  • Interviews über die Themen Krieg, Kopfjagd, Meo-Traditionen sowie zum magischen System der Le`u musu.

Was ich letzten Endes von ihm als das Ergebnis von 19 Stunden Interview in seinem Haus als autorisierte, und mehrfach von den Teilnehmern als legitimierte, freigegebene Version erhielt, habe ich in den folgenden Abschnitten zusammengestellt. Die Dokumentation der Kriege, die Anas in vor-indonesischer Zeit führte, sowie die verwandtschaftlichen Beziehungen der Namengruppe Nesnai, präsentiere ich nicht als einen flüssig lesbaren Text, sondern in einzelnen, themenzentrierten Blöcken.
Die Auseinandersetzung mit diesen Themen war für mich deshalb wichtig, um Wissenslücken in Bezug auf meine Dokumentation der Kuan-Fatu-Chronik zu schließen. Daneben lag mir an einer weiteren Außenperspektive zu den historischen Überlieferungen von J.Ch. Sapay und Musa Seo. Die Interviews mit Neno Nesnay und Ana Tafuli sollten mir helfen, meine Datenlage aus Amanuban zu vervollständigen und, falls erforderlich, zu korrigieren. Außerdem wollte ich Näheres über einen etwaigen Expansionskrieg zwischen Nope und Tkesnai erfahren. Ich stieß wiederholt auf den Namen dieses mysteriösen Herrschers im Osten von Banam, und mir erschien Anas als der geeignete Ort für eine vorläufige Recherche. Der von mir vermutete Tkesnai-Krieg war scheinbar der erste Krieg, den die Nope-Dynastie von Tunbes aus führte, um ihren politischen Einfluss auszudehnen, um das heutige Amanuban zu schaffen. In Amanuban konnte ich bisher zu diesem Krieg nur Fragmente in Erfahrung bringen, einzelne, vage historische Details, die auf einer so dünnen Argumentation beruhten, dass ich mir kein zusammenhängendes Bild machen konnte. Diese Gründe veranlassten mich daraufhin nach Anas, in den Nordosten von Amanatun, zu gehen, um dort Näheres über den legendären Herrscher Tkesnai zu erfahren, von der ich nicht wusste, ob es ihn gegeben hat, ob er historisch oder legendär ist.

Während ich in Amanuban arbeitete, wurde ich immer wieder darauf hingewiesen, wie gefährlich die Menschen in Amanatun sind. Und gleichzeitig versicherte man mir, dass ich in Amanuban gut und sicher aufgehoben bin. Die Menschen in Amanatun andererseits lebten in den Wäldern, sind alle Atoin fui, der Inbegriff des Uab Meto für alles Wilde, Unzivilisierte und Gefährliche. Und Christen sind sie auch nicht. Raub und Mord, so hieß es, sind an der Tagesordnung. Ich darf auf keinen Fall so verwegen sein, nach Amanatun zu reisen. Ist es aber unvermeidbar, so ist es am Besten nackt zu gehen, damit man mir nichts fortnehmen kann. Außerdem ist das die einzige Chance, lebend zurückzukommen. Diese Warnungen und Berichte machten mich nur noch neugieriger, sodass ich jetzt, kurz vor dem Abschluss meiner Feldforschung in TTS, unbedingt nach Nordamantun muss, um mich von der Wildheit der Bewohner und der auf mich lauernden Gefahren selbst zu überzeugen. Ich war ich von Anfang an davon überzeugt, dass ich mit einem ethnischen Vorurteil konfrontiert war, und die Warnungen sagten mir, dass es sich lohnte, dort vorbeizuschauen. Denn dort, so vermutete ich, ist die ursprüngliche Atoin-Meto-Kultur vielleicht noch etwas lebendiger als in Amanunban. Ich konnte mir diese Warnungen nur als Reflex auf einen Traditionalismus vorstellen, der in Amanuban nicht mehr verstanden wurde, und deshalb suspekt war. Erst viel später erfuhr ich, dass im Grenzgebiet zwischen Belu und Nordamanuban, besonders auf der anderen Seite der Grenze, in Lotas und Bokong, die kriegerischen Auseinandersetzungen des Osttimor-Konflikts ins indonesische Westtimor übergriffen. So erklärten sich die Mahnungen meiner Freunde und Nachbarn diese Gegend zu meiden, vor allem auch, weil ich dort keine Verwandten oder Freunde hatte, die für meine Sicherheit sorgen konnten. Ich erfuhr auch, dass es sich bei dem Gebiet, vor dem ich gewarnt wurde, um das Usiftum Anas handelte, eine Landschaft, die in der Literatur nur erwähnt, aber nie näher dokumentiert bearbeitet wurde.
Auf den Namen Tkesnai stieß ich zum ersten Mal bei Lektüre einer Schrift von Pieter Middelkoop. Später dann erneut in der Arbeit von Andrew McWilliam, und zuletzt in einem Pseudo-Tonis-Monolog von Lukas Banamtuan anlässlich der Totenfeier für Felipus Lanu` in Leti, Ostamanuban. In dem erwähnten Text vertritt Middelkoop die Auffassung, dass die beiden Herrscher Tkesnai und Abi zwei autochthone Bevölkerungen Westtimors repräsentieren: Tkesnai als Herrscher über Nordost-, Abi als Herrscher über Südwest-Westtimor. McWilliam kommt aus nicht näher zu klärenden Gründen zu der Auffassung, dass es sich bei Tkesnai um eine authochthone Bevölkerung handeln müsse, die von der Nope-Dynastie nach Osten verdrängt wurde. In seinem Pseudo-Tonis-Monolog, sowie in späteren Interviews, mit Lukas Banamtuan ist die Rede von einem Krieg, in dem ein gewisser Kesnai nach Osten bis hinter Oe Uis Neno zurückgedrängt wurde. Erst bei der Auswertung seines Monologs wurde mir klar, dass es sich bei der Landschaft Anas um eine Region in Nordostamanatun handeln muss, und dass Oe Uis Neno das östliche Grenztor Amanubans war. Ich verstand auch, dass die als gefährlich diffamierten Atoin fui die Beohner dieser Region Amanatuns sind. Als ich dann selbst nach Amanatun ging, erfuhr ich, dass Nordamanatun und Anas identisch sind. Da ich über Nopes zweiten Expansionskrieg, der sich gegen Abi Loemnanu richtete, ausführlich in Kuan Fatu geforscht hatte, wollte ich mich über den vermutlich ersten Expansionskrieg von Tubani Nope gegen Tkesnai und Anas ausführlich vor Ort informieren. Mir war inzwischen klar geworden, dass der ehemalige Name Tkesnai später in Nesnai umgewandelt wurde, und so lag es auf der Hand, dass ich mich an Neno Nesnay als Oberhaupt der Namengruppe wandte.

Soweit der Hintergrund meiner Überlegungen, die mich für einige Tage nach Anas führten. Während der Gespräche mit Nesnay und Tafuli verlief allerdings vieles anders und überraschender, als ich geplant hatte. Die Aufnahme im Haus von Neno Nesnay war ausgesprochen freundlich und liebenswürdig, von vorbildlicher Gastfreundschaft. Für meinen Besuch war ein Schwein geschlachtet worden, was nicht unbedingt die Regel, sondern besonderen Situationen wie den Lebenszyklusritualen oder hohem Besuch vorbehalten ist. Neno Nesnay hatte alles gut vorbereitet. Gegen meine bisherigen Erfahrungen begannen wir gleich nach dem Essen mit der Arbeit. Diese Arbeit stellte sich dann jedoch als eine mühsame und stundenlange Diskussion über das Was und Wie der Textproduktion und Datenaufnahme heraus. In seinem Bemühen, und vielleicht auch in seinen Befürchtungen, nur sorgfältig Ausgewähltes und Abgesichertes auf das Band sprechen zu lassen, erschwerte Neno Nesnay beinahe zwanghaft unsere gesamte Arbeit. Die anwesenden Informanten, die sichtbar heiß darauf waren, ihre Kenntnis zu präsentieren, wurden immer wieder blockiert und zurückgehalten. Als der Pemangku Adat dann weit nach Mitternacht nicht mehr die Augen auf halten konnte, brach ich die Diskussion ab und ging enttäuscht schlafen.
Nino Tafuli, und besonders Ana Tafuli, waren mit den Vorgehen des Pemangku Adat nicht einverstanden, hielten sich aber respektvoll zurück. Sie waren bestrebt, ihre Kenntnisse zu präsentieren. Während der stundenlangen, mühsamen Diskussion zeichnete sich immer deutlicher ab, dass ich es mit zwei konkurrierenden Fraktionen zu tun hatten. Einerseits Neno Nesnay und Nino Tafuli, auf der anderen Seite Ana Tafuli, die sich nicht immer einig zu sein schienen. Misstro und ich beschlossen daraufhin, Ana Tafuli am nächsten morgen zu Hause aufzusuchen, um ihm die Gelegenheit zu geben, seine Position frei und unbeeinflusst vortragen zu können. Denn schon während der Diskussion über die Geschichte von Anas waren mir Aspekte aufgefallen, die ich mit Ana Tafuli alleine besprechen wollte. Dieses Interview erwies sich als sehr ergiebig, sodass mein zweites Treffen mit Neno Nesnay vor diesem Hintergrund fruchtbarer verlief. Die abweichende Perspektive von Ana Tafuli war schon deshalb sehr wichtig, da mir der Pemangku Adat bei meinem Eintreffen seine Version der Geschichte von Anas schriftlich präsentierte. Damit betrachtete er unsere Diskussion über dieses Thema als abgeschlossen.
Das Thema, das ich am ersten Abend mehrfach angesprochen hatte, war meine Bitte, über den Krieg von Tubani Nope gegen Tkesnai zu erzählen. Einen solchen Krieg, so belehrte mich Neno Nesnay, habe es nie gegeben. Dies sei schon deshalb undenkbar, das Anas und Banam durch eine Heiratsallianz verbunden waren, und deshalb wie Geschwister seien. Kleinere, unbedeutende Fehden um Viehdiebstähle und illegale Grenzverschiebungen, so räumte er ein, habe es sicherlich gegeben.
Auch das zweite Arbeitstreffen erwies sich als schwierig und anstrengend. Misstro und ich hatten uns abgesprochen, auf den Tkesnai-Krieg sowie andere historische Ereignisse nicht mehr einzugehen, und auf die beiden vorbleibenden Interviews zu drängen. Wieder verlangte Neno Nesnay eine vorbereitende »«Übung«, um die Informationen auch richtig wiederzugeben. Er verstand darunter die doppelte Durchführung der Interviews: einmal zur Probe und vorausgehenden Kontrolle, das andere Mal als von ihm autorisierte Version, die ich auf Band aufzeichnen durfte. Seine Vorgehensweise begründete er damit, dass die anwesenden alten Männer anders denken würden als wir, und dass deren Denken erst in die richtigen Bahnen gelenkt werden muss. Sonst, so der Pemangku Adat, würden sie nur Märchen erzählen. Dass ich gerade an diesem anderen Denken und den Märchen der alten Männer interesiert war, konnte ich ihm nicht begreiflich machen. Vorsichtiges Taktieren erschien mir hilfreicher, da ich weitere Arbeitstreffen plante, die ich mir nicht schon jetzt verderben wollte.

Die Interviews zu Krieg und Fehde, zum Stand der Krieger-Kopfjäger sowie zur Le`u musu erfolgte wieder unter Aufsicht des Pemankgu Adat. Ana Tafuli brach das Interview unerwartet ab, und erklärte mir später heimlich, dass vieles verschwiegen werde. Wieder verabredeten wir uns mit ihm auf ein späteres Treffen. Mir dem Pemangku Adat fassten wir uns daraufhin kurz, und erklärten unsere Arbeit für beendet. Später in der Nacht, sowie am nächsten Morgen, wiederholten wir das Le`u-Interview mit Ana Tafuli, und führten weitere Interviews mit ihm durch. Die Gründe für sein Verhalten lassen sich nur vermuten. Möglich das rivalisierende Namengruppeninteressen eine Rolle spielten, vielleicht fühlte er sich auch nicht genug beachtet oder ihm ging es wirklich um eine »Reinheit der Lehre«. Zumindest bewahrte er mich davor, mich zu einseitig auf eine Meinung zu verlassen, die seiner Meinung nach durch den Pemangku Adat, als Repräsentant der lokalen Kirche, manipuliert wurde. Meine Informationen aus Anas stammen deshalb aus zwei verschiedenen Perspektiven, die sich an manchen Stellen überschneiden, ergänzen oder widersprechen. Die genaue Analyse dieser Daten erfordert mit Sicherheit weitere Gespräche.
Donnerstag Nacht wurden wir mit den üblichen Dankes- und Abschiedsreden entlassen. Ich bedankte mich bei den Männern mit dem erwarteten Uang Sirih Pinang, einem Geldgeschenk, das symbolisch für Betel verwendet wird. Daraufhin trug Nino Tafuli eine weitere Tonis-Dichtung vor und Neno Nesnays Frau überreichte mir einen ikatgemusterten Mau anah.

Auf den ersten Blick unterscheiden sich Anas und Amanuban grundsätzlich kaum voneinander. Abgesehen davon, dass es in Anas keine Atoin fui gibt, kehre ich mit guten Erfahrungen und vielen neuen Details zur Geschichte der Region zurück. Dabei darf nicht vergessen werden, dass es in Westtimor keine Geschichtsschreibung im westlichen Sinne gibt. Historische Daten werden aus der Erinnerung wiedergegeben, sind also subjektiver Veränderung gegenüber ungeschützt. Nicht vergessen werden darf dabei auch nicht, dass die Atoin Meto diese Erinnerungen als ihre Geschichte bewahrten und überliefern. In Anas erlebte ich vieles authentischer, unverfälschter und weniger aufgesetzt. Niemand machte viel Aufhebens um meine Person, und doch merkte ich, dass ich ein gern gesehener Gast war, durch dessen Anwesenheit man sich geehrt fühlte und mit dem man gerne zusammenarbeitete. Meine Anwesenheit in Lilo war ein Ereignis, über das im Dorf geredet wurde. Die Nesnay und Tafuli betrachteten meinen Besuch als ein Privileg. Leider war der Pemangku Adat ein Beamter der Camat-Verwaltung und Kirchenfunktionär, der er sich gezwungen sah, nur eine offiziell vertretbare Version zu veröffentlichen. Sein bürokratischer Stil und sein Bemühen um politische Korrektheit haben die Datenaufnahme oft kompliziert, ihr teilweise Spontanität und Offenheit genommen. Dies ist verständlich, für die wissenschaftliche Forschung aber nur sehr bedingt nützlich. Aber gerade darin besteht das Dilemma der ethnologischen Feldforschung in Westimor. Oder, wie Victor Capranzano mit Blick auf den Trickster und Götterboten Hermes pointiert bemerkt: Zeus verstand, der Ethnograph nicht!.

Die Genealalogie von Neno Aleksander Nesnay

Die folgende Genealogie ist Bestandteil der erwänten schriftlichen Aufzeichnungen, die ich am zweiten Tag meines Aufenthalts in Lilo von Neno Aleksander Nesnay selbst bekam:

G +11 Tae Nesnai verheiratet mit Afu Nai
G +10 Neno Nesnai verheiratet mit Lini Tkesnai1
G +9 Tsae Nesnai verheiratet mit Nati Nai
G +8 Loit Nesnai verheiratet mit Fanu Tkesnai
G +7 Neno Nesnai verheiratet mit Tae Timo2
G +6 Tmesen Nesnai verheiratet mit Timo Bau3
G +5 Tsae Nesnai verheiratet mit Nino Timo
G +4 Loit Nesnai verheiratet mit Klae Tafuli
G +3 Tsae Nesnai verheiratet mit Tae Liubanu
G +2 Le`u Nesnai verheiratet mit Seo Tafuli
G +1 Le`u (Gustaf Adolf) Nesnay verheiratet mit Finit (Wilhelmine) Tafuli
G 0 Neno (Aleksander) Nesnay verheiratet mit Neno (Irene Henderina) Fa`i4

Anmerkungen zur Nesnai[-y]-Genealogie

1 Durch die Heirat von Neno Nesnai und Lini Tkesnai (G +10) ging die politische Macht sowie der Titel eines Usif von der Namengruppe Tkesnai an die Namengruppe Nesnai über, die so den ehemaligen Herrscher Tkesnai von der Macht ablöst.
2 Nach einer Korrektur von Ana Tafuli ist der Name der Ehefrau Tef Timo (G +7).
3 Nach einer Korrektur von Ana Tafuli ist der Name der Ehefrau Tae Timo (G +6).
4 Die Heirat mit Neno (Irene Hederina) Fa`i (G 0) begründet die affinale Verwandtschaft und politische Allinaz mit der Namengruppe Fa`i. Fa`i übernimmt damit Amt und Titel eines Uis Feto, wird bevorzugter Frauengeber von Nesnai. Dies lässt sich auf die erste Heiratsallianz von Nesnai und Tkesnai übertragen, die dazu führte, dass Tkesnai die politische Macht in Anas verlor. Nesnai wurde durch diese Heirat zum Uis Mone (Frauennehmer), politisch superior, Tkesnai zum Uis Feto (Frauengeber), rituell superior, für Nesnai.
Der Sonaf der Nesnai-Dynastie befand sich zu Beginn ihrer Herrschaft auf dem Faut Anas, wo auch der Sonaf von Tkesnai gestanden haben soll. Später verlegte die Namengruppe Nesnai ihren Sonaf auf einen Hügel bei Put`ain.

Die traditionelle politische Struktur im vor-indonesischen Anas

Das Gebiet des ehemaligen Usiftum Anas ist heutige Kecamatan Amanatun Utara, der nordöstliche Teil von Amanatun im Kabupaten Timor Tengah Selatan. In der Innensicht grenzen Nesnai und Tafuli das Kecamatan Amanatun Selatan als Onam ab, das sie als das Usiftum von Banunaek bezeichnen. Orientiert man sich an den indigenen politischen Strukturen, gliedert sich das Gebiet, das als Amanatun bezeichnet wird, in zwei politisch autonome Regionen, nämlich in Onam, regiert durch Usif Banunaek, und in Anas, regiert durch Usif Nesnai. Das Territorium Anas gliederte sich in zwei politische Einheiten, nämlich in:

  • Neo Manu Muti bestehend aus den acht Dörfern: Lilo, Fotilo, Nasi, Snok, Tumu, Faut Oni, Sono und Lotas; lokales Oberhaupt Fetor Fa`i.
  • Noe Bokong bestehend aus den acht Dörfern: Toi Anas, Bokong, Sambetb, Skinu und Oe Le`u; lokales Oberhaupt Fetor Nenometa.

Die Spitze der politischen Hierarchie bildet der Anas in Usif, nämlich Nesnai. Der Name Nesnai ist eine Verkürzung von Nesi Naif, der alles überwiegende Fürst. Wie mir der Pemangku Adat, Neno Nesnai, erklärte, verwendet seine Kanaf keine Le`u nono, weil allein sein Name Nesi (mehr) ausreicht, und alle Formen von Fruchtbarkeitsmagie umfasst. Eine Le`u nono, die die Gesamtheit der magischen Praktiken und Ritualle der Landwirtschaft umfasst, und die vor der Aussaat und nach dem Einbringen der Ernte aktiviert werden muss, ist für seine Namengruppe nicht notwendig, da sein Name das erforderliche magische Potenzial entfaltet. Ohne Kommentar!
Das Amt des Usif, des höchsten politischen Funktionsträgers, bekleidet die Namengruppe Nesnai, die als Uis mone mit der Namengruppe Fa`i (Uis feto) in einer Feto-Mone-Heirat verbunden ist. Eine solche verwandtschaftich und sozial kooperierende Gruppe bildet eine ökonomische, rituelle und politische Konförderation vielfältig reziproker Beziehungen. Der Beamtenapparat, über den die herrschende Klasse - Nesnai und Fa`i - ihre exekutive Macht ausübt, sind die Amaf, die für die Bevölkerung »wie Väter« sind. In der indigenen Kultur der Atoin Meto bilden die Amaf eine peripher gedachte Vierer-Gruppe, die keos ha ma moen ha, die vier Stiere und die vier Männer, die ein inneres Machtzentrum umgeben.

  • Zuständig für Noe Maun Muti sind die Amaf Tefa und Liubanu, Nome und Tapoin. Ana`anmes, Bewahrer der landwirtschaftlichen Rituale, sind Tefa und Liubanu (Nabu Molo).
  • Zuständig für Noe Bokong sind die Amaf Sae und Nabu, Bonat und Loi. Ana`anmes sind es die Namengruppen Sae und Linis (Nabu Metan).

Abweichend bezeichnet Ana Tafuli die Namengruppen Tefa und Liubanu, Nome und Tapoin als die keos ha ma moen ha von Usif Nesnai. Auf meinen Einwand, dass die doch die Amaf von Fa`i sind, erwidert er, das ist schon in Ordnung, da Nesnai und Fa`i für einander Baefeto-Baemone sind. Dieser Anspruch lässt sich, wenn überhaupt, aus der Genealogie von Nesnai[-y] nur für die letzte Generation begründen. Zuerst nannte er Liulai und Sonba`i, Abi und Banunaek, und behauptete, dies seien die keos ha ma moen ha von Nesnai und ihm und dem Sonaf auf dem Faut Anas tributpflichtig gewesen. Dass dies nicht stimmen kann, versteht sich von selbst, handelt es sich bei diesen Namen doch um legendäre, mythistorische Herrscher Westtimors, wahrscheinlich deren um Titel. Die Heiratsallianz zwischen Nesnai und Fa`i, bestätigt auch Ana Tafuli, ist eine feot le`u / moen le`u. In dem Meo-Interview mit ihm stellte sich dann aber heraus, dass Anas das Institut des Meo Feto nicht kennt. Ganz im Sinne der modernen Interpretation verwies er energisch darauf, dass die Krieg und Kopfjagd »«keine weiblichen Tätigkeiten« sind, ohne die metaphorische Bedeutung zu verstehen. Dies scheint im Widerspruch zu der Situation in Amanuban zu stehen. Ana Tafuli berichtet aber auch, dass der Uis Feto und die Krieger-Kopfjäger eine Le`u musu verwenden. Möglicherweise deutet diese Aussage an, dass die Beziehung des Meo Feto / Meo Mone in Amanuban der des Uis Feto / Uis Mone in Anas entspricht.

Die Anas-Kriege mit den Kase Muti

Für die Angabe von Jahreszahlen gibt Neno A. Nesnay eine Generation mit fünfzig Jahren an, sodass die geschilderten Ereignisse vermutlich zwischen 1600 und 1800 stattfanden. Ergänzend sagt er VOC, Vereinigte Ostindische Konpanie. Wie Neno Nesnay berichtet, fanden in diesen Jahren vier Kriege zwischen Anas und den Weißen Fremden (kaes muti) statt, ohne dass ich klären konnte, ob mit Kaes Muti die Niederländer oder Portugiesen gemeint sind. Meine Bitte, die Berichte über diese Kriege als Tonis-Dichtung zu präsentieren, lehnte er mit dem Argument ab, dass es in Anas nicht üblich ist, historische Ereignisse als Tonis wiederzugeben.

Der erste Kaes-Muti-Krieg

Anders als die folgenden Kriege gegen die kase muti, die von Nesnai in Anas geführt wurden, ist der Kriegsherr des ersten Kriegs ein Tkesnai, anscheinend zusammen mit seinem Sohn:

Kriegsherr Gegner Schlachtfeld Flucht nach
Taku Tkesnai und Ana Tkesnai Ti`i und Toe Tenu, Toen und Tap An Faut Anas und Lunu, Tesi und Ayo Fanu Simu

Der zweite Kaes-Muti-Krieg

Kriegsherr Gegner Schlachtfeld Flucht nach
Neno Nesnai (G +10)5 Lubu, Makasal, Ele, Kainias6 Fatu Anas und Ayopupu an die Küste zurück

Anmerkungen zum zweiten Kaes-Muti-Krieg

5 Neno Nesnai übernahm die politische Macht in Anas durch Heirat von Tkesnai, und wurde so zum Gründer der bis heute politisch dominanten Nesnai-Dynastie. Von Tkesnai wird erzählt, dass er es war, der zuerst auf dem Faut Anas Feuer entzündet habe. Wie Nope, der dies auf dem Tunbes in Zentralamanuban getan haben soll, und wie der Sonba`i, der der Tochter von Kune am Mutis in strahlendem Glanz erschienen sein soll, so tritt auch Tkesnai als Lichtbringer und Kulturheros in die mythische Zeit.
Taku Tkesnai und Ana Tkesnai sind die Kriegsherren des ersten Krieges gegen die fremden Eindringlinge. Aber schon kurz darauf geben sie die Macht an Nesnai ab und verschwinden aus den Überlieferungen der Kanaf Nesnai. So bleibt die Vermutung, bei Tkesnai handele es sich nicht um eine mythistorische Persönlichkeit, sondern dass er eine autochthone Bevölkerung, repräsentiert, die später unter dem Namen ihres Herrschers in die Geschichte von Anas eingeht.
Für Neno Nesnai ist Tkesnai der Faut Anas in Tuan, sein Apical ancestor, Schirm und Beschützer der Namengruppe Nesnai. Durch die Heirat von Lini Tkesnai und Neno Nesnai (in der G 10) wird Tkesnai zum ersten Frauengeber der Kanaf Nesnai, wird so zum Am Uf für Nesnai; symbolisch für die gesamte Bevölkerung von Anas. Entsprechnend der Überlieferung wird Neno Nesnai nach der Heirat mit Lini Tkesnai durch die Amaf von Tkesnai in der Stand des Usif von Anas erhoben. Diese Amaf repräsentieren die Namengruppen: Lanu`, Bah, Laun, Kenat, Fina`, Isu, Sae, Baku, Usu, Bi`e, Bani, Obe, Boti, Kenu, Ninbi`e, Nabu, Bonat, Tloe, Tbo`ut, Tkela, Tefa, Liubanu, Nome, Tapoin.
Nesnai wird zum Herrscher und mone gekürt, während Tkesnai für Nesnai zu Ena mnasi / Ama mnasi/ Fufu mnasi wird, zum Am Uf und in der symbolischen Klassifikation feto. Ein klassifikatorisches Schema, das diese Beziehung ausdrückt, wäre folgendermaßen beschaffen:

Nesnai Tkesnai
mone (politisch) feto (politisch)
feto (rituell; sozial) mone (rituell; sozial)
Himmel Erde
politische Macht rituelle Kompetenz

6 Während die Gegner und Ortsnamen des ersten Kriegs gegen die Kase Muti ungeklärt bleiben, handelt es sich bei den geographischen Bezeichnungen Lubu und Makasal, Ele und Kainias des zweiten Kase-Muti-Kriegs um phonetische Anpassungen der Namen Lombok, Makasar, Ende und Kalabahi (Alor) an das Uab Meto in Anas. Dieses Ortsnamenbündel der rituellen Rede, bezeichnet die Handelsroute der Bugi- und Makasarschoner im interinsularen Sandelholzhandel zwischen Sulawesi und Westtimor. Neno Nesnai verwendet dieses Ortsnamenbündel zur Bezeichnung des Feindes im zweiten Kaes-Muti-Krieg, der möglicherweise Anas vom Meer her angriff. Er spricht auch davon, dass der Feind damals mit vier Schiffen gekommen sein soll. Gleichzeitig verweist dieses Ortsnamenbündel auf die Präsenz von Tonis-Dichtungen zur historischen Überlieferung in Anas hin. Möglicherweise handelt es sich bei den ungeklärten Namen des ersten Kase-Muti-Kriegs ebenfalls um phonetische Anpassungen; wahrscheinlicher aber um metaphorische Bezeichnungen aufgrund von Charakteristika oder besonderen Kennzeichen des Gegners.

Der dritte Kaes-Muti-Krieg

Kriegsherr Gegner Schlachtfeld Flucht nach
Neno Nesnai (G + 10) Boluk metan / Boluk muti7 Fatu Anas Timau

Anmerkung zum dritten Kaes-Muti-Krieg:

7 Bei den Boluk muti handelt es sich um Niederländer (Kaes muti) aus Timau (Amfo`an) an der Westküste Timors, nördlich von Kupang gelegen. Ana Tafuli nennt sie auch Timau naek beziehungsweise Nai fo`an naek. Die Boluk metan sind die Atoin Meto in Anas.

Der vierte Kaes-Muti-Krieg

Kriegsherr Gegner Schlachtfeld Exil in
Tsae Nesnai (G + 9)8 Amalika9 Fatu Anas Penfui, Kupang

Anmerkung zum vierten Kaes-Muti-Krieg:

8 Den vierten Krieg führte Tsae Nesnai gegen die Portugiesen in Kupang, die bis nach Anas vorgedrungen waren, und die der Kanaf Nesnai ihren Machtanspruch sowie ihre Ressourcen (v.a. Sandelholz) steitig machten. Tsae Nesnai wurde in diesem Krieg geschlagen, und mit einem großen Teil seines Volkes nach Penfui verschleppt. In einem Aufstand, bei dem viele Portugiesen ihr Leben ließen, konnte er sich befreien. Die anschließenden Friedensverhandlungen wurden durch den folgenden Fanu (Eidpakt) abgesichert: Punu` Penfui / Atu Penfui // Sulat Nunpo`/ Atu Nunpo`. Neno Nesnai interpretiert die Bedeutung dieses Schwurs mit den Worten: »Jede weitere Feindschaft ist aufgehoben, der geschlossene Frieden führt zu Handelsbeziehungen.«
Der Name der Le`u musu, die Tsae Nesnai in dem Krieg gegen die Portugiesen eingesetzt haben soll, habe Tabenu / Takelob / Tanapo gelautet. Eine Exegese blieben Neno Nesnai und Tafuli schuldig.
9 Die Bedeutung Amalika wird spontan mit Amerika angegeben. Später führt die Bezeichnung Li Kase auf die Spur: Amalika, richtig verstanden, Ama li Kase, bezeichnet die Portugiesen als Gegner im vierten Kaes-Muti-Krieg. Interpretiert man Ama[f] als Titel oder respektvolle Anrede für höhergestellte Personen, Inhaber von Macht, und Li kase als Kind von Fremden, sind die Gegner von Tsae Nesnai die Nachkommen der Portugiesen, vielleicht die da Costas oder die Kaes Metan, die mysteriösen schwarzen Portugiesen, Afrikaner aus den portugiesischen Kolonien. Unklar geblieben ist auch hier wieder die Bedeutung der von Neno Nesnai erwähnten Le`u musu: beu` mat noib / tnes mat tita mat fonat.

Weitere Kriege mit den Kaes Muti

Neno Aleksander Nesnay spricht von weiteren Kriegen, die seine Vorfahren geführt haben, um ihre territoriale und politische Autonomie zu sichern. Er hat auch bezüglich dieser militärischen Auseinandersetzungen konkrete Vorstellungen davon, wann diese stattgefunden haben, und nennt absolut chronologische Daten, die er selbst errechnet hat:

Der erste Krieg

Kriegsherr Gegner Schlachtfeld Flucht nach
Tsae Nesnai (G +6 / G +5)1 Banam (Amanuban)10 Ku Feu Tunbes

Anmerkung

10 Kriegsherr ist ein Sohn Tsae Nesnais, der mit Nino Timo verheiratet ist. Ein weiterer Sohn von Tsae ist Loit Nesnai, der einen Krieg gegen Onan geführt haben soll (s.u.). Den Krieg den Tsae Nesnai im Jahre 1835 gegen Banam geführt haben soll, versteht A.N. Nesnay als Verteidigung gegen einen Angriff aus Amanuban.

Der zweite Krieg

Kriegsherr Gegner Schlachtfeld Flucht nach
Loit Nesnai (G +6 / G +5) Onam(Amanatun)11 Neo ?

Anmerkung

11 Loit Nesnai wird in diesem 1880 geführten Krieg besiegt. Sein Meo Sese Tafuli, der diesen Krieg befehligte, fällt auf dem Schlachtfeld. Banunaek, der Herrscher in Amanatun, erhielt in dieser Schlacht die Unterstützung der Kaes metan aus Noemuti, sodass Loit Nesnai in einen Zweifrontenkrieg verwickelt wurde, dem er unterlag.

Der dritte Krieg

Kriegsherr Gegner Schlachtfeld Flucht nach
?12 Afi und Nokas ? ?

Anmerkung

12 A.N. Nesnay erwähnt einen weiteren, wenig belegten Krieg, den er, wie auch den Krieg gegen Banunaek, als uf nok uf (Ursprung gegen Ursprung), einen Krieg zweier rivalisierender Anas-Namengruppen, bezeichnet.

Der vierte Krieg

Kriegsherr Gegner Schlachtfeld Flucht nach
Le`u Nesnai (G +2)13 Kaes Muti Fotilo ?

Anmerkung

13 Le`u Nesnai ist der Großvater von A.N. Nesnay, von dem die folgende Information stammt: 1911 schlägt Seki Tafuli ein niederländisches Kommando auf dem Gebiet des heutigen Desa Fotilo in die Flucht. Dieses Kommando habe aus einem Leutnant und elf Soldaten bestanden. Der niederländische Leutnant wird erschossen, aber auch Kolo Tafuli und seine Familie werden in ihrer Festung Fotilo erschlagen. Den Namen der Le`u musu, die Seki Tafuli in dieser Auseinandersetzung eingesetzt hat, nennt Nino Simon Petrus Tafuli Lais Lima`.

Die Namen der ersten Herrscher in Westtimor

A.N. Nesnay nennt die Namen dieser Herrscher, wie sie in seiner Namengruppe überliefert werden:

  • Anas (Nordamanatun) = Nesi Taek
  • Insana = Sana Taek
  • Biboki = Boki Taek
  • Belu = Leki Taek
  • Molo = Babu Taek
  • Amanuban = Nuba Taek
  • Onam (Südamanatun) = Natu Taek

Diese Taek-Herrscher hält A.N. Nesnay für die Gründer der späteren Atoin-Meto-Territorien. Er nennt Nesi Taek zuerst, dessen Name Nesi (nesi, mehr von etwas; schwer von Inhalt) auf seine besondere Potenz verweist. Auffällig ist auch, dass einige Namen dieser Gründer auf den Namen des entsprechenden Territoriums hinweisen: Sana, Boki, Nuba und Natu. Vermutlich ist das ein Hinweis, dass sie als Herrscher mit ihrem Land in einer mystischen Union verbunden waren. Über die Herkunft dieser Taek-Herrscher besteht keine Klarheit. Hinweise aus der älteren (Kolonial-)Literatur, soweit ich sie kenne, gibt es nicht. Möglicherweise besteht irgendeine Beziehung zu den Heiratsallianzen, die ich im nächsten Abschnitt aufgeliste.

Heiratsallianzen Tkesnai / Nesnai

Frauen der Tkesnai- beziehungsweise Nesnai-Namengruppe wurden benachbarten Usiftümern gegeben, sodass sozialer und politischer Einfluss durch Heiratsallianzen gesichert wurde. Durch diese Strategie wurde Anas zum primären Brautgeber (Am Uf / Am mone) und wichtigen politischen Regenten im nordöstlichen Westtimor. Mit Anas als angeblich ältestem Usiftum an der Basis politischer Macht entstanden verwandtschaftliche Bindungen zu weiteren Usiftümern. Damit nimmt A.N. Nesnay mit den Namen Tkesnai / Nesnai Anas als älteste Bevölkerung in Westtimor an, immer vorausgesetzt, dass zweischen den Eigennamen Tkesnai und Nesnai eine echte genealogische Verwandtschaft und nicht nur eine klangliche Assoziation besteht.

Usiftum / Gatte Vater Tochter / Gattin Sonaf in
Molo / Molo Tuklua14 Loit Nesnai Telek Tkesnai ?

Anmerkung

14 Abweichend von belastbaren Daten zur Geschichte Westtimors, erklärt A.N. Nesnay Molo Tuklua zum Gründer des Usiftums Molo. Er behauptet auch, dass die beiden Tkesnai-Töchter Neno und Telek nach Molo verheiratet, und Molo Tuklua, in Molo und Miomafo, Mutis und Babnain, zur Frau gegeben wurden. Diese Heirat habe eine soziale Beziehung zwischen Molo und Anas begründet, die als Lulai feto / Lulai mone bezeichnet wird.

Usiftum / Gatte Vater Tochter / Gattin Sonaf in
Belu / ?15 Ana Tkesnai Mau Tkesnai Rabasa und Umalor

Anmerkung

15 A.N. Nesnay nennt drei weitere Töchter dieser Namengruppe, die nach Belu verheiratet worden seien:

  • Telek Tkesnai, eine Tochter von Loit Nesnai in Rabasa und Umalor
  • Taela Tkesnai, eine Tochter von Loit Nesnai in La Saen
  • Loit Tkesnai, eine Tochter von Loit Nesnai in Oe Tulan

Mau Tkesnai bezeichnet Ana Anderias Tafuli als die älteste der nach Belu verheirateten Frauen, womit A.N. Nesnay aber nicht einverstanden ist. Die Ortsnamen beziehungsweise Wohnorte in der folgenden Tabelle nennen den Standort des Sona mnasi beziehungsweise des Kua mnasi der Tkesnai-Töchter in Belu. A.A. Tafuli bezeichnet diese Orte alternativ als Manu ha oder Fafi ha (vier Hühner oder vier Schweine), ein Name, der auf deren Beziehung zu den jährlichen Tributzahlungen hinweisen soll, die Belu zu leisten. Er führt weiter aus, das alle Usiftümer, einschließlich Anas, Tkesnai-Töchter zur Frau bekamen, sodass Anas als Brautgeber eine sozial und politisch superiore Position bekleidete, aus der sich, entsprechend der Adat (lasi) spezifische Rechte ableiteten, wie beispielsweise die jährlichen Erntetribute, die die Brautnehmer schuldeten. Bei diesen Orten, so A.A. Tafuli, handelte es sich um hoch respektable Orte: Umalor (An feto) und Rabasa (An mone) standen in einer Fetof-Nauf-Beziehung (älter-jünger in der Geschwisterreihe) zueinander. Die älteste Tochter, Mau Tkesnai, lebte dort zusammen mit ihrer jüngeren Schwester, Telek Tkesnai. Gemeinsam sprach man sie ehrerbietig mit Enaf (Mutter) an. La Saen und Oe Tulan standen zueinander in der gleichen Beziehung. Alle vier Orte lagen, so A.A. Tafuli, in der Nähe von Besikama. Die Angaben von Nesnay und Tafuli zu den Heiratsallianzen widersprechen sich mehrfach. Wahrscheinlich ist, welcher Abstammung auch immer diese mysteriösen Tkesnai-Töchter sind, sie wurden nach Belu (als Brautnehmer), in den Sona mnasi (alten Palast), in das Kua mnasi (alten Weiler), nach Südosten verheiratet, sodass Belu (Wehale) die politisch unterlegene (feto) Position bekleidet haben soll. Sind diese Angaben korrekt, dann bestand zwischen Anas und Belu eine Brautgeber-Brautnehmer-Beziehung, in der Frauen Medium sozialen Vorrangs und politschen Einflusses waren.

Usiftum / Gatte Vater Tochter / Gattin Sonaf in
Onam (Amanatun) / Tae Natu (Gründer) /strong Ana Tkesnai Tae Tkesnai ?
Usiftum / Gatte Vater Tochter / Gattin Sonaf in
? / Olak Mali / = Nope (aus Rote) Ana Tkesnai Takesin Tkesnai ?
Usiftum / Gatte Vater Tochter / Gattin Sonaf in
Banam (Amanuban / Leki Nuban Loit Nesnai Nupi Tkesnai Tunbes
Usiftum / Gatte Vater Tochter / Gattin Sonaf in
Insana-Biboki (ein Usiftum) / Tua Sana Ana Tkesnai Neno Tkesnai ?
Usiftum / Gatte Vater Tochter / Gattin Sonaf in
Anas / Namengruppe Nokas15 ? Neno Tkesnai ?

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