Donnerstag, 26. Dezember 2019

Weihnacht


Es ist Heiligabend. Für indonesische Verhältnisse kommt Mikhael Ruron pünktlich mit seiner Familie ins Hotel, um uns abzuholen. Wir sind inzwischen seit fast einen Monat in Kupang. Vor zwei Wochen habe ich ihn während einem meiner Behördengänge kennengelernt, wo er als Jurist beschäftigt ist. Er stammt aus Lamaholot in Ostflores, und arbeitet seit zwei Jahren für die Provinzregierung von Nusa Tenggara Timur als Sachbearbeiter. Seit sechs Monaten ist er im Direkturat Sosial Politk angestellt, dem Innenministerium. Seine Stelle als Sachbearbeiter im DIR SOS POL interessiert ihn nicht. Sie sei nur untuk hidup, um zu leben. Er hat in Semarang studiert, dort seinen Sarjana Hukum gemacht. Nach dem Studium blieb er lange arbeitslos. Wie so viele. Die meisten Beamten in den indonesischen Behörden sind hochqualifiziert ausgebildet und schlecht bezahlt. Oft nicht entsprechend ihrer Ausbildung und Begabung beschäftigt.

Dienstag, 3. September 2019

In Kupang


Denpasar, Bali. Der Flughafen heiß I Gusti Ngurah Rai, nach dem Nationalhelden Ngurah Rai. Der Name des Flughafens erinnert an einen adeligen Befreiungskämpfer, einen Gusti, der den Niederländern die Stirn geboten hat. Noch war Timor nur eine Idee. Abflug von Denpasar nach Kupang. Gemischte Gefühle, die nächste Etappe meiner Forschungsreise ins Innere einer unkalkulierbaren Fremde. Eine Reise ins Ungewisse, von der meine balinesischen Freunde vermuteten, sie koste mich das Leben.

Samstag, 24. August 2019

Amanuban und ich


Es ist Jahrzehnte her. Immer häufiger tauchen Gedanken an jene Zeit wie flüchtige Schatten auf einer Leinwand auf. Wer inszeniert dieses Schattenspiel, entwirft die Figuren, schreibt das Skript? Auf ihrer Jenseitsreise bringen Helden an der Pforte zur Unterwelt Blutopfer dar, wenige Tropfen nur, aber sie reichen aus, ihre Rückkehr zu sichern. Was ist wichtig? Was kostet es mich, in meine Erinnerungen zu tauchen, um Vergangenes sichtbar zu machen? Zuerst sehe ich nur Fragmente meiner Jahre in Amanuban. Während des Schreibens füllen sich allmählich die Lücken. Einst Erlebtes wird zum konkreten Bild. Persönliche Mythen mischen sich mit realer Biographie. Zwischen die Zeilen gestreute Zeit. Inzwischen glaube ich selbst an meine eigenen Legenden, wie ein Kind, an die Möglichkeit ferner Welten. Die Seele ist ein weites Land, in das die Träume fliehen. Verstaubte Notizen in Tagebüchern und Zettelkästen fließen in die Seiten, wo sie sich im Licht der Wirklichkeit vermischen. Viele Jahre später.

Freitag, 2. August 2019

Im Westen Timors


Timor. Warum musste es ausgerechnet Timor sein? Vielleicht weil die Insel so weit entfernt von Deutschland lag, sodass sie meine Vorstellungen von Exotik überstieg. Timor repräsentierte für mich die Fremde an sich. Fast schon Südsee. Ich wollte fort aus den engen Städten mit ihren Vorschriften und Regeln. Ausbrechen aus der Kreativität und Lebendigkeit erstickenden Routine des universitären Alltags. Ich wollte anders sein und anders leben. Mir selbst fremd werden und mich in der Fremde wiederfinden. Anders sein als in den Jahren theoretischer Wissenschaft. Ich wollte dorthin, wo das Wissen zu finden ist. Mit Haut und Haar eintauchen in die ethnologische Praxis.

Samstag, 13. Juli 2019

Schichten und Geschichten


Das moderne Zeitalter des Ferntourismus mit seinem Phänomen des Massentourismus, der Urlauber bequem an jedes Ziel und in jede fremde Kultur weltweit befördert, sorgt gleichzeitig dafür, dass der Tourist so wenig Kontakt wie möglich mit der Fremde bekommt. Das war schon einmal anders, damals als die ersten Reisenden sich ihre Wege noch selbst bahnen mussten, oft unter erheblichen Entbehrungen. Was sie erlebten, hat sich tief in ihre Persönlichkeit eingegraben, und sie unwiderruflich verändert. Heutzutage findet selbst der Weltreisende oft nur seine eigenen Erwartungen, sodass er sich auch in der Fremde wie zu Hause fühlen kann. Der Ethnologe, wie der Reisende, der er ist, hinterfragt sich in der Bewegung.

Sonntag, 7. Juli 2019

Einstimmung


Ich glaube, dass der Ethnologe ehrlicher und zugleich auch wissenschaftlicher handelt, der diese Aspekte mitreflektiert, statt den letztlich fruchtlosen Versuch zu unternehmen, für die wissenschaftliche Öffentlichkeit sorgfältig das Intersubjektive aus dem Subjektiven und dieses Verfahren dann durch Totschweigen ungeschehen zu machen, nur um sich und den Lesern die Illusion reiner Wissenschaftlichkeit zu gönnen.
Justus Stagl

Amanuban Mon Amour öffnet den Blick auf ein hierzulande weitgehend unbekanntes Land, auf ein fernes Land, in dem die Menschen eine farbenprächtige Kleidung tragen, mich an ihrem Leben teilnehmen ließen und zum Betelessen verführten. Menschen, die in Versen von ihrer Vergangenheit erzählten. Ich war zuhause bei Menschen, die zwischen den Zeiten lebten, die in mehreren Identitäten zuhause waren, traditionell bleiben wollten und modern sein mussten, um im westlich gewordenen Indonesien nicht abgehängt zu werden.
Meine Forschungen zur Kultur der Atoin Meto Amanubans habe ich in bisher drei Schritten - als Printversion oder Weblog - publiziert: