Nach dem Essen wird wieder Betel herumgereicht. Seit alle wissen, dass ich Betel esse, will es auch jeder sehen. Mit klammheimlicher Freude beobachten die Männer meine unbeholfenen Versuche, mit Mühe aus der kugelrunden, glasigen, beige-weiß gemusterten Arekanuss, der hellgrünen Frucht des Betelpfeffers, lang wie eine Bohne und der Prise gelöschten Kalks, die zuletzt unter die feuchte Masse in meinem Mund gemischt wird, um einen einigermaßen kaubaren Pfriem zu bekommen. Die Frauen, die kauend im Hintergrund sitzen, spähen verstohlen zu mir herüber. Nur die Kinder stehen mit offenem Mund und verdutzten Gesichtern im Raum. Sie sind die einzigen, denen es die Etikette gestattet, ihre Gefühle offen zur Schau zu stellen. Aber niemand sagt etwas oder bringt mich in Verlegenheit. Wir alle tun so, als es ob nichts Besonderes zu sehen gibt. Ich spüre das leise Lächeln, das um ihre Augen liegt, mehr als das ich es sehe. Der Respekt, den ich ihrer Kultur zolle, spiegelt sich dagegen deutlich in ihren erstaunten Minen. Belustigt wie sie sind, schätzen sie mich sehr, weil ich diesen Brauch mit ihnen teile.
Sonntag, 12. Juli 2020
Sonntag, 7. Juli 2019
Einstimmung
Ich glaube, dass der Ethnologe ehrlicher und zugleich auch wissenschaftlicher handelt, der diese Aspekte mitreflektiert, statt den letztlich fruchtlosen Versuch zu unternehmen, für die wissenschaftliche Öffentlichkeit sorgfältig das Intersubjektive aus dem Subjektiven und dieses Verfahren dann durch Totschweigen ungeschehen zu machen, nur um sich und den Lesern die Illusion reiner Wissenschaftlichkeit zu gönnen.
Justus Stagl
Amanuban Mon Amour öffnet den Blick auf ein hierzulande weitgehend unbekanntes Land, auf ein fernes Land, in dem die Menschen eine farbenprächtige Kleidung tragen, mich an ihrem Leben teilnehmen ließen und zum Betelessen verführten. Menschen, die in Versen von ihrer Vergangenheit erzählten. Ich war zuhause bei Menschen, die zwischen den Zeiten lebten, die in mehreren Identitäten zuhause waren, traditionell bleiben wollten und modern sein mussten, um im westlich gewordenen Indonesien nicht abgehängt zu werden.
Meine Forschungen zur Kultur der Atoin Meto Amanubans habe ich in bisher drei Schritten - als Printversion oder Weblog - publiziert:
- Tracht und textile Techniken: Die Textilien der Atoin Meto: Teil 1: Methodische und theoretische Grundlagen, Teil 2: Textilstile und Textiltypen und Teil 3: Bibliographie sowie zusammen mit Heidrun Jardner, Eingefangene Fäden. Textile Verzierungstechniken in West-Timor, Indonesien;
- mündliche Dichtung und regionale Geschichte: Die Kuan Fatu-Chronik. Form und Kontext der mündlichen Dichtung der Atoin Meto (Amanuban, Westtimor) sowie Seine Rede ist nicht irgendeine. Mündliche Dichtung und regionale Geschichte in Westtimor
- Amanuban Mon Amour ist anders, mehr Reiseerzählung als wissenschaftliche Bearbeitung, wenn auch beides gleichzeitig; in einem Weblog zusammengestellte Beiträge, die den Spuren folgen, die ich in Amanuban hinterlassen habe: Faktizität mit literarischen Mitteln.