Sonntag, 12. Juli 2020

Rituelle Begrüßung in Amanuban


Nach dem Essen wird wieder Betel herumgereicht. Seit alle wissen, dass ich Betel esse, will es auch jeder sehen. Mit klammheimlicher Freude beobachten die Männer meine unbeholfenen Versuche, mit Mühe aus der kugelrunden, glasigen, beige-weiß gemusterten Arekanuss, der hellgrünen Frucht des Betelpfeffers, lang wie eine Bohne und der Prise gelöschten Kalks, die zuletzt unter die feuchte Masse in meinem Mund gemischt wird, um einen einigermaßen kaubaren Pfriem zu bekommen. Die Frauen, die kauend im Hintergrund sitzen, spähen verstohlen zu mir herüber. Nur die Kinder stehen mit offenem Mund und verdutzten Gesichtern im Raum. Sie sind die einzigen, denen es die Etikette gestattet, ihre Gefühle offen zur Schau zu stellen. Aber niemand sagt etwas oder bringt mich in Verlegenheit. Wir alle tun so, als es ob nichts Besonderes zu sehen gibt. Ich spüre das leise Lächeln, das um ihre Augen liegt, mehr als das ich es sehe. Der Respekt, den ich ihrer Kultur zolle, spiegelt sich dagegen deutlich in ihren erstaunten Minen. Belustigt wie sie sind, schätzen sie mich sehr, weil ich diesen Brauch mit ihnen teile.

Sonntag, 5. Juli 2020

Krokodile in Timor


Ich habe lange darüber nachgedacht, in Amanuban viele Fragen gestellt und viel Unverständnis geerntet, weil ich mich für Dinge interessierte, über die man nicht gerne sprach. Jemand aus dem Westen, der fortschrittlichen, modernen Welt, jemand aus dem christlichen Abendland, das als vorbildlich gilt. Aber ich habe Hinweise gefunden und Bestätigung erhalten. Das Ergebnis ist mager, und muss durch Intuition und Schlussfolgerungen unterfüttert werden, durch manch bizarre Bemerkung aus der ethnographischen Literatur, die sich, nachgefragt, aufklärt. Nun ist es mit schriftlosen Kulturen viel zu oft so, dass bei der Rekonstruktion kultureller Überzeugungen und materieller Hinterlassenschaften wenige Spuren ausreichen müssen.