Wenn du in Rom bist, sei wie ein Römer!, gibt Clifford Geertz dem Ethnologen im Feld mit auf den Weg. Geertz und seine Frau, die an illegalen Hahnenkämpfen teilnahmen, gerieten in eine Razzia, die sie mit ihren balinesischen Mitmenschen in eine panische Flucht trieb. So seltsam es klingen mag, aber genau diese kuriose Situation bildete für sie den Einstieg in die dörfliche Gemeinschaft. Ein guter Rat, der mir im Laufe der Monate meine Arbeit in Amanuban sehr erleichtert hat.
Eine der unvorhersehbaren, nicht bewusst oder absichtlich herbeizuführenden Voraussetzungen für eine ethnologische Feldforschung ist die Notwendigkeit, von der Gastkultur aufgenommen und akzeptiert zu werden. Von meinen Bemühungen und von meiner Ahnungslosigkeit, mich in die Gastkultur der Atoin Meto zu intergrieren, erzähle ich in meinem Indonesischen Tagebuch, das den Beginn einer nicht gut genug vorbereiteten Feldforschung schildert. Auch der zuletzt unvermeidbare Betelkonsum gehörte dazu.
Ulla Johansen, die meine Magisterschrift Die Textilien der Atoin Meto betreut hat, sprach vollmundig von den Imponderabilien einer Feldforschung. Eine offene Situation eben. Neben der teilnehmenden Beobachtung, der zentralen Methode der Ethnologie, besteht die grundlegende Voraussetzung im Feld darin, dass sich der Ethnologe in jeder Situation weitgehend so verhält wie seine Mitmenschen auf Zeit. Dass dies einfacher gesagt, als getan ist, davon legt der Korpus der einschlägigen Literatur beredtes Zeugnis ab. Zu Beginn meines Aufenthalts in Amanuban wusste ich nie, was der erforderliche Verhaltenskodex von mir forderte, die regionale Etikette kannte ich nicht. Was musste ich tun, wie mich verhalten, um nicht von einer Peinlichkeit in die nächste zu geraten. Als es dann schließlich passierte, war ich weder vorbereitet, noch war mir bewusst, dass es gerade jetzt soweit war. Letztlich bekam ich ein Geschenk, dem Zufall oder dem Schicksal geschuldet: Ich war unerwartet in die Dorfgemeinschaft von Eno Kiu, dem Tamarindentor, aufgenommen worden.
Mai 1991. Heute ist mein Geburtstag. Schon früh am Morgen streife ich durch Niki Niki. Mehr Dorf als Stadt und trotzdem der Verwaltungssitz Zentralamanubans. Ein langweiliger Ort, der mich nicht sonderlich beeindruckt. Eine lange, staubige und schlecht asphaltierte Straße, links und rechts kleine Läden. Durchgangsverkehr nach Oinlasi oder Kefamenanu. Das Zentrum der Kleinstadt bilden zwei mächtige Bäume mit ausladenden Kronen. Darunter ein kleiner Markt, keine Stände, die Waren auf dem Boden ausgelegt. Ich klettere den Hügel hinauf zum Palast, dem Sonaf der Nope-Dynastie. Noch kenne ich die Etikette nicht, bringe keinen Betel und auch keine Zigaretten mit. Schlechtes Benehmen! Ich komme mit leeren Händen. Ein kühler Empfang durch Nesi Nope, den ältesten Sohn der königlichen Familie von Amanuban, die seit Jahrhunderten in Niki Niki residiert. Es gibt Kaffee, schwarzbraunes Pulver mit viel Zucker in einem Glas mit heißen Wasser aufgerührt. Dazu: trockene Kekse und leeres Gerede. Anschließend ein Rundgang durch den Palast mit der inzwischen obligatorischen Zurschaustellung regionaler Textilien. Inzwischen glaubt man in Amanubans Amtsstuben zu wissen, was ich zu sehen begehre. Obwohl Nesi Nope mir die königliche Tracht zeigt, behauptet er jedenfalls, sehe ich nichts Besonderes darunter, das ein Foto lohnt. Trotzdem fotografiere ich eifrig jedes Kleidungsstück, denn ich weiß mich wenigstens ein bisschen zu benehmen. Weiß was Nope erwartet, will nicht unhöflich sein.
In diesem Jahr ist Nesi Nope, dem nachgesagt wird, er sei korrupt und inkompetent, Bürgermeister in Niki Niki. Ein Nachkomme der berühmten, für Amanuban historisch bedeutenden Nope-Dynastie. Vom ausgehenden 17. Jahrhundert bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs waren die Nope die Kleinkönige Amanubans, absolut feudale Herrscher über Trockensavannen mit temporär ausgetrockneten Flüssen und verstreuten Weilern. In der Verwaltungsbürokratie des modernen Indonesiens ist er nur ein subalterner Beamter, nicht der wichtigste. Die Provinzregierung in Soë duldet ihn wegen seines informellen Einflusses. Beliebt ist er nicht, aber stolz, eingebildet und überheblich. Gleich zu Beginn unserer Begegnung betont er seine besondere Herkunft. Das ist ihm wichtig, begegnet er mir doch so auf Augenhöhe, glaubt er. Anders kann er sich das nicht vorstellen. Der mächtige Adelige und der weiße Tuan aus dem Märchenland. Eine Rolle, der ich erst nach vielen Monaten gelegentlich entkommen konnte, unerwünscht, unverdient und mit vielen unangenehmen Gefühlen beladen. Meine Erklärungen, die zahlreichen Versuche mich abzugrenzen, selbst Ignoranz und Widerspruch halfen nicht. Meine Gastgeber wollten es so, und ich dachte peinlich berührt an das Statement von Geertz.
Früher gehörten der Nope-Dynastie auch die Menschen, mit Leib und Seele. Bürgermeister, betont er narzisstisch überhöht, sei er nur nebenbei, weil ihm das Amt zustehe. Wem auch sonst? Das sei das mindeste, was die indonesische Regierung ihm schulde. Ihm, dem Nachkommen von Königen. Sein Titel Usi und die ehemalige Machtfülle seien nicht entscheidend, was zähle, sei sein alltäglicher Einfluss bei seinem Volk. Das betont er ausdrücklich. Sein Vorname Nesi bedeute viel von etwas besitzen, die Essenz, das Wesentliche. Nesi Nope sonnt sich in vergangenem Glanz und wirkt dabei leicht angestaubt. Ein arroganter und korrupter Lokalbürokrat. Trotz seines blauen Bluts.
Mein Geburtstagsgeschenk! Das Regionalfernsehen Südzentraltimor hat ein TV-Shooting angekündigt. Im Palast von Nope. Die regionale Kultur der Atoin Meto in Amanuban steht auf dem Programm. Ich bin eingeladen, eine Auszeichnung, bin ich doch inzwischen als ausgewiesener ausländischer Bewunderer der indigenen Kultur bekannt. In Amanuban bin ich momentan der einzige, und in dieser Rolle begehrt. Willkommende Staffage für Nopes Inszenierung. Im besten Fall Statist.
Auf hochherrschaftlichem Boden findet sie statt, auf historischem Boden, meine erste Begegnung mit Abraham Aleksander Sakan. In einem Palast, im Sonaf der Nope. Mein erster richtiger Atoin Meto. Im Gelächter der anderen höre ich seine erste Bemerkung an mich: Saya seratus percen asli, betul asli!, ruft er mir mit großspuriger Geste auf Indonesisch zu. „Ich bin ein echter Einheimischer, voll und ganz!“ Er vermutet, dass ich das suche, womit er recht hat: Authentizität. Exotik. Meto! ergänzt er schnell auf Uab Meto, der Landessprache, und hofft, mich mit dem fremden, mysteriös klingenden Namen für sich einzunehmen. Aber ich weiß längst, dass meto ein zentrales Konzept ihrer Kultur bezeichnet. Marcelinus Besa, Englischlehrer an der SMA Kristen in Soë, und mein Lehrer in der Landessprache, legte großen Wert darauf, dass ich wusste, was das Adjektiv meto, das er mit asli ins Indonesische übersetzte, bedeutet. Im weitesten Sinn umfasst meto alles Einheimische, unterscheidet es vom Kulturfremden, Importierten, gleichgültig ob materiell, phänotypisch oder ideologisch. Meto vermittelt und sichert kulturelle Identität, ein Wir-Gefühl. Ich gehöre nicht dazu, auch das sagt er mir. Ich bin der Fremde, ich bin kase. In Sachen Kultur, behauptete er bei unserer ersten Begegnung von sich, sei er der Wissender, hundertprozent indigen. Ich war es nicht.
Nun steht mir einer von ihnen gegenüber, näher denn je, von Angesicht zu Angesicht. Ein Meto, ein Atoin Meto, ein heimischer Mensch. Abraham hat mich als Mensch und Partner erkannt. Ich bin nicht länger unsichtbar. Er ist keiner der Krieger mit nacktem Oberkörper, mit Haarknoten, stolzem Blick und Steinschlossflinte in der Hand, wie die Männer auf den historischen Schwarzweißfotografien im Völkerkundemuseum Basel. Kein wilder, freier Mann wie die Männer, die schon als Kind meine Fantasie bevölkert haben. Wäre ich sonst Ethnologe geworden? Wie oft habe ich mich das schon gefragt. Den stolzen, herausfordernden Blick, den hat Abraham trotzdem, so wie er mich fixiert. Abraham ist lebendig und in Farbe. Wirklichkeit aus Fleisch und Blut. Zum Anfassen, was ich mich noch nicht traue. Ich fühle eine Distanz, noch unüberbrückbar, und doch faszinierend. Kein Phantom aus einem meiner ethnografischen Bücher, das mir im Sonaf begegnet. Er ist ein Big Man, einer der Einfluss hat, einer auf den man hört. Ein königliches Geschenk. Nope sei Dank!
Abraham Aleksander Sakan, wie er mit vollem christlichen Taufnamen heißt, ist Mitte Vierzig. So genau weiß er es nicht. Ich werde heute Vierzig. An diesem Tag, diesem besonderen Tag in Nopes Palast, seinem sonaf. Ich bin mir sicher. An diesem Nachmittag fragt er mich systematisch aus. Will alles wissen. Ganz genau. Woher ich komme und was ich in Amanuban vorhabe. Das woher und wohin ist in Amanuban wichtig: Herkunft und Ort, Richtung und Ziel. Alles hat seinen Ursprung, uf, der Baum und der Stamm, die Herkunft, die Basis, der Ausgang, Tür und Weg (eno ma lanan), Aufbruch und Fortgang. Pokoknya!, sagt er auf Indonesisch, und fragt damit nach Motiv und Herkunft von jedermann und jeder Sache. Der Baum mit Ästen und Zweigen, eine genealogische Metapher, praktisch und zugleich abstrakt. Und alles in Bahasa Indonesia. Das spricht er fließend. Kein Verständigungsproblem. Uab Meto sowieso. Ich nicht. Bin Beginner. Seine Kontaktfreudigkeit und sein lockeres Plaudern unterscheiden ihn von den meisten Atoin-Meto-Männern, die ich bisher traf. Die waren distanzierter, misstrauischer. Er nicht. Er lebte einmal in Kupang. Die anderen nicht. Er kennt die Fremde. Das macht mir den Kontakt zu ihm leichter.
Männer in Amanuban erschienen mir in den ersten Monaten häufig einsilbig, zurückhaltend. Anfangs lag das an mir. Und an der Fremde, die mich mir selbst unvertraut machte. Ich war wieder ein Kind, benahm mich schlecht und daneben, kannte Regeln und Etikette nicht. Niemand wollte mich erziehen, mich an Kindesstatt annehmen. Ich war ein Tuan, und als ein solcher erwartungsgemäß eigenartig. Unberührbar. Mir gebührte Respekt, keine Zurechtweisung. Diese soziale Distanz, eine Folge der Nomenklatur sozialer Stratigrafie, die sich in der kulturspezifischen Anrede spiegelt, machte es mir schwierig anzukommen. Abraham nannte sich Bapak, abgekürzt Pak, die Verwandtschaftsbezeichnung Vater im modernen Indonesisch als Herr verwendet. Pak Sakan, so wollte er von mir genannt werden. Mir verweigerte er in den ersten Wochen die von mir gewünschte, vertraute Anrede. Die Rolle des Tuan, des reichen und vornehmen Herrn, eine kulturelle, soziale und menschliche Barriere. Doch Abraham erbarmte sich meiner, wurde mein Ziehvater, dann mein Partner, schließlich mein Freund. Abraham taut nicht langsam auf, er ist in jeder Situation gleich voll präsent. Immer in Bewegung, immer in Aktion, hektisch und umtriebsam. Immer Betel kauend. Excitantia: In Erregung!
Auf einem freien Platz, im Schatten eines gewaltigen Waringinbaums, wartet eine Gruppe festlich gekleideter Männer und Frauen auf ihren Auftritt. Landeier im wirklich nicht städtischen Milieu von Niki Niki. Aber was wusste ich damals schon vom Landleben in Amanuban. Gespannte Erwartung, nervöse Aufregung. Meine erste Begegnung. Zum ersten Mal außerhalb des eher unpersönlichen, alltäglichen Zusammentreffens auf Straßen und Märkten, in den Büros der Verwaltung. Keine Uniformen, kein Militär, keine Bürokraten. Im Sonaf stehe ich mitten in der Farbenpracht reich verzierter Gewebe. Amanubans Tracht ist greifbar nahe. Abraham Sakan ist einer unter ihnen. Das rotgemusterte Umschlagtuch um seine Hüften reicht bis hinunter auf die Waden. Das weiße Hemd, um den Kopf ein Batiktuch, zu zwei Stoffhörnern hoch gebunden, über die Schulter, die Aluk, der unverzichtbare Beutel für die Betelzutaten und die persönlichen Dinge des Mannes. Dunkelbraune Haut, nussbraune Augen unter einer hohen, schon gefurchten Stirn. Das schon graue, krause Haar kurz getrimmt. Die Lippen und Zähne rot vom Betel, den er ununterbrochen kaut. Der Saft der Droge, den er ungeniert auf den Boden spuckt, bewirkt diese Rotfärbung.
Den in Südostasien einst allgegenwärtigen Betelkonsum lernte ich zum ersten Mal 1982 in Rangoon kennen. In den Straßen der Stadt gab es überall Stände, an denen undefinierbare Mischungen, in Blätter gewickelt, zum Kauf angeboten wurden. Drei Jahre später sah ich in Zentralbali die eine oder andere alte Frau mit Spuren des charakteristischen Rots, das das Essen von Betel auf den Lippen hinterlässt. In Nopes Palast begegnet mir diese Droge nun zum dritten Mal, und später wieder, als ich im Kantor Polisi in Soë meinen Führerschein für das Motorrad abhole. Lächelnd auf ihre roten Lippen zeigend, sagte mir die Sachbearbeiterin: „Natural Lipstick!“, und lacht herzlich über ihren Witz und meinen ratlosen Blick. Sirih-Pinang, Betel, ruft mir vom Schreibtisch nebenan ihr Kollege zu. In Amanuban unverzichtbar, sagt er. Das sei Tradition, fügt er erklärend hinzu. Bis auf die westlich eingestellten jungen Leute esse jeder Betel. Ich bin noch zu neu, um die Tragweite seiner Bemerkung zu verstehen, und erst einmal froh, dass mir der Motorradführerschein ausgehändigt wird. Dieses Mal bleibt es nicht bei der flüchtigen Wahrnehmung. Dieses Mal bleibt mir nichts Anderes übrig, als selbst Betel zu essen. „Mam, Pak!“ fordert mich Abraham ungeschmickt in seiner eigenartigen Mischung aus Uab Meto und Bahasa Indonesia auf: „Essen Sie, mein Herr!“. Wie wichtig der Konsum von Betel für meine Forschung in Amanuban wirklich werden würde, ahnte ich an diesem Tag in Nopes Sonaf noch nicht. In Amanuban gibt es nicht viele Wege dazuzugehören. Betelkonsum ist nicht nur der wichtigste dieser Wege, er ist der unverzichtbarste.
Endlich steht er vor mir, ein echter Atoin Meto, und schaut mich gespannt an. Unvertraut und unerwartet wie Schnee im Sommer. Er lebt im Osten meiner Welt und östlich von Kupang. Sein Name, Sakan, belegt das. Sae oder neonsaet bedeutet Osten, dort, wo die Sonne aufgeht. Von dort kamen vor langer Zeit seine Vorfahren, dorthin blickt er auf seine Geschichte zurück. Auch das ist meto.
Die anwesenden Frauen und Männer sind aufs Prächtigste herausgeputzt. Alle sind in Meisterwerke lokaler Webkunst gekleidet. Die Frauen tragen den röhrenförmigen, knöchellangen Tais, die lokale Version des panindonesischen Sarongs, die Männer, lose umgeschlungen, ihren wadenlangen Mau, das ikatgemusterte Hüfttuch. Jedem Mann hängt seine mit kunstvollen Mustern und alten chinesischen Münzen verzierte Aluk über der Schulter, die kleine Umhängetasche für seine persönlichen Dinge. Die Frauen präsentieren sich stolz mit ihrem alten Silberschmuck an Armen und Hals. Pusaka, sagen sie mir, Erbstücke, Hinterlassenschaften der Ahnen. Ehrfürchtig staunend stehe ich mitten in einer Museumsausstellung, mitten im stolzen Zurschaustellen künstlerischer Ausdrucksweisen auf dem Forum. Niemand in Amanuban versäumt eine solche Gelegenheit, besonders die Männer nicht, denn zum Mannsein gehört es, sich prestigefördernd zu inszenieren. Ruhm und Ehre auf ihr Haupt und das ihrer Familie zu häufen. Die Frauen, die kundigen Weberinnen, Meisterinnen von Muster und Farbe, steueren ein angemessenes Outfit bei, für den öffentlichen Vortrag der mündlichen Dichtungen der Männer. Eine von Kreativität durchdrungenden Kooperation der Geschlechter. In Amanuban ist die öffentliche Demonstration künstlerischer Ausdrucksweisen in Alltag und Ritual lebendig. Die Kopfjagd gehört endgültig der Vergangenheit an, auch wenn im Osttimorkonflikt vereinzelt Köpfe genommen wurden. Die regionale Tracht, das weibliche traditionelle Prestigesysteme hat dem kulturellen Wandel besser widerstanden, wenn auch zum Preis von Dekandenz und Verfall. Gleiches trifft auf die rituelle Rede zu, in der die regionale Geschichte mündlich überliefert wird, ein exklusives Prestigesystem der Männer, nur einzelnen zugänglich, während potentiell jede Frau Weberin sein kann. Bemitleidenswerte Männer, armer Abraham. Kein Mann trägt einen präparierten Kopf am Gürtel. Keine Zurschaustellung von Potenz und Männlichkeit. Was ihnen bleibt sind Worte und großspuriges Auftreten. Wer es denn kann! 1923 soll in Amarasi der letzte Niederländer seinen Kopf verloren haben. 1991 gibt es im Nope-Sonaf keine Kopftrophäen mehr. Nur die Köpfe auf unseren Schultern, und die sitzen fest.
Die Frauen und Männer im Sonaf kommen alle aus Eno Kiu, eine Siedlung, die einst zum Herrschaftsgebiet der Nope gehörte – feudal gedacht, da leibeigen. Heute konserviert Nope seine Macht informell. Abraham und seine Leute sind als Statisten in den Sonaf gekommen, als Protagonisten einer Prestigeveranstaltung. Nope will ins TV, sucht Ruhm und Ehre außerhalb Amanubans, will sich als Potentat einen Namen machen. Sein Denken ist weltanschaulich noch nicht befreit, trotz Indonesia Merdeka. Und ich, obwohl befreit, Kind europäischer Demokratien, folge Nopes Ruf. Endlich indigene Kontakte, Daten und befriedigte Neugier. Meine Rolle soll die des weißen Wissenschaftlers sein. Abrahams Rolle, die des Hofnarren, modern gesprochen des Animateurs. Auch des Regisseurs. Prestige für Nope, den Raja, den Produzenten. Es wird ein langes Warten auf das Fernsehteam. Am Nachmittag kommt sie dann, die Absage. Kein Shooting. Enttäuschung und freie Zeit. Meine Chance! Abraham und seine Männer und Frauen aus Eno Kiu folgten Nopes Ruf. Dieser folgte der Anfrage des Fernsehsenders. Im Sonaf soll Kultur dramatisiert werden, indigen soll es dabei zugehen. Der Palast sollte die Bühne sein, die festlich gekleideten Männer und Frauen die Dekoration. Bühne und Schauspieler in einer kulturellen Performance. Die traditionelle Tracht, Gongorchester und überlieferte Tänze, der Maekat, ein Kriegstanz mit gezücktem Schwert, der Bonet, der Reigentanz der Atoin Meto. Niki Niki wird zum Drehort. Wen kümmern Beobachter, wenn es unverhofft Anlass zu feiern gibt.
Aber das TV-Team kommt nicht. Nesi Nopes ehrgeiziger Plan, ins regionale Fernsehen zu kommen, scheitert am gleichen Tag, an dem ich gewinne. Der Nachkomme von Königen kocht vor Wut und Scham. Gesichtsverlust dem weißen Fremden gegenüber. Die Leute aus Eno Kiu bleiben gelassen. Sie sind nicht unglücklich. Für sie ändert sich nichts. Für sie macht es keinen Unterschied. Es herrscht Trockenzeit, die Arbeit in den Gärten ruht. Zeit für Besuche, Feste und Rituale. Eine Zeit sozialer Kommunikation wie die im Sonaf heute. Niemand verliert seine Zeit im Sonaf. Für die Dörfler ist Nopes Inszenierung ein Highlight, ein soziales Event in ereignislosen Tagen. Sinn und Erfolg dieser Performance sind nicht ihre Sache. Kultur aus Amanuban wird heute ostindonesienweit nicht ausgestrahlt. Keiner der Anwesenden flimmert über Mattscheiben durch den Archipel. Die öffentlichen Fernsehgeräte in den chinesischen Läden auf Timor, Flores, Lembata oder Ambon zeigen ein anderes Programm. Vielleicht amerikanische oder indische B-Movies: Götter, Helden und Abenteuerer. Peinlich für den Raja, der inzwischen unauffindbar verschwunden ist. Davon unberührt warten die Leute aus Eno Kiu. Niemand ist da, der sie entlässt. Es ist nicht ihr Bedürfnis, sie müssen nicht ins Fernsehen. Für sie bedeutet das kein Prestige, viel zu abstrakt, unsozial, da medial. Sie erfüllen des Leibeigenen Pflicht: informell gedacht.
Ich bin ihre Attraktion. Marktschreierisch, mit prahlerischer Geste erhebt sich Abraham aus der Menge. Wird Individuum vor dem Hintergrund der Gruppe, gewinnt Profil und Persönlichkeit. Wie selbstverständlich übernimmt er die Führung. Ein aus dem Stegreif geborenes Schauspiel beginnt. Gleich in der ersten persönlichen Begegnung erlebe ich die schauspielerische Kompetenz der Männer der Atoin Meto. Abraham übernimmt die Initiative. Ich werde Zeuge seiner Männlichkeit. Sind die Frauen die geschickten Weberinnen im Atrium der Wohnung, sind ihre Männer die Meister des Forums. Abrahams Auftritt zelebriert ein kulturelles, männerspezifisches Ideal. Heute gibt er den Eulenspiegel und beendet kurzerhand das langweilige, ereignislose Warten im Sonaf. Unvermittelt wird es unterhaltsam, spannend und äußerst kurzweilig. Wer braucht schon Drehbuch und Fernsehkamera wenn Abraham auftritt. Spontan und aus dem Stegreif, das ist sein Metier. Sprachunterricht steht auf dem Programm. Indonesisch reicht nicht, er führe mich in das Uab Meto ein, verkündet er. Ich müsse die Landessprache lernen. Kein Problem, er werde mich unterrichten. Unter allgemeinen Gelächter über meine kuriose Betonung und Aussprache muss ich Körperteile nachsprechen, die Abraham bei mir berührt. Und so entsteht die erste Vertrautheit, die Überwindung des Fremden in der Berührung. Nicht nur physisch, auch psychisch im gemeinsamen Spiel. Im allgemeinen Gelächter, dessen Objekt ich bin, fühle ich mich weniger fremd. Der Morgen ist verloren, Abraham rettet den Nachmittag. Aus der Eintönigkeit ermüdenden Wartens inszeniert er aus Langeweile und zum Zeitvertreib den traditionellen Maekat wütend stampfender Krieger-Füße und den versöhnlichen Bonet-Reigen. Er nimmt mich an die Hand, zieht mich hinein das bunte Treiben, hinein in diese fremde Männerwelt. Während wir tanzen, spielen uns die Frauen auf. Mit Bambusschlegeln hämmern sie auf Eisengongs, die an Schnüren im Schatten zweier Bäume aufgehängt sind. Ein Gong-Orchester der besonderen Art. Die Geräte einfach und unscheinbar. Ganz entfernt erinnern mich Klang und Melodie an javanisches oder balinesisches Gamelan. Im Sonaf von Niki Niki sind die Instrumente einfacher, wenig kunstfertig. Kein Design, kein Schnickschnack. Nackte Funktionalität. Mit wenigen Tönen schaffen die Frauen einen tanzbaren Beat. Keine elaborierten Kompositionen, empfundene Rhythmen. Schnell treibende Wirbel auf unterschiedlich großen Gongs füllen den Sonaf. Sie unterstreichen das Stampfen der nackten Füße der Tänzer, die Staub und kleine Steine aufwirbeln. Spontan und aus dem Moment geboren, reißt mich die Musik mit, und vertreibt meine Scheu. Die frei schwebende Melodie zirkuliert zwischen den Luftwurzeln des Waringin. Ausdruck statt starre Form. Ganz anders der Tanz der Männer, der sich in streng gebundener Choreografie gefällt.
Abraham bleibt konkurrenzlos. Er ist der Star des gescheiterten TV-Shootings. Ich bin seine Marionette, hänge an unsichtbaren Fäden, die der Meister virtuos bewegt. Charmant, mit großer Geste, sich seines Publikums gewiss, präsentiert sich Abraham als Wortführer. Großspurig, zum Vergnügen aller, nutzt er meine Anwesenheit, unterhält seine Leute. Gönnerhaft führt er mich als Greenhorn vor, und treibt seine Späße auf meine Kosten: Er sei der Herr des Bodens, der Pah Tuan, von Eno Kiu, will er mir unter lächelnden Gesichtern weismachen. Er sei der Vorsteher seines Dorfes, der Verwalter der einzigen Wasserstelle. Er sei der Rukun Wilayah in der indonesischen Verwaltungshierarchie, führt er dozierend aus, sei wie der frühere Temukung der Feudalzeit, ein wichtiger politischer Funktionsträger der aristokratischen Verwaltung. Ganz in der Geste des Aristokraten, zu der ihn seine Begeisterung über sein Spiel und die lockere Atmosphäre im Nope-Sonaf hinreißt, erklärt er mir, dass alle Familienvorstände seine jüngeren Brüder seien, das Dorf sein Machtbereich und die Bewohner sein Volk. Nope ist vergessen, versunken in der Bedeutungslosigkeit angesichts dieses Big Man aus Eno Kiu. Er sei, bekennt er, ein loyaler Untertan Nesi Nopes, seines Herrn. Noch identifiziert er mich mit der indonesischen Bürokratie, ist sich meiner Person und meines Status nicht sicher, weiß nicht, auf welcher Seite ich stehe, und ordnet mich selbstverständlich der herrschenden Klasse zu, sagt immer wieder Tuan, für mich viel zu oft. Schließlich halte ich mich mit behördlicher Genehmigung in seinem Land auf. Gerade Abraham, dieser Freigeist. Er ist sicher kein Untertan dieses inoffiziellen, unbedeutenden, gerade gesichtsberaubten Rajas, der darum kämpft, seine Macht und seinen Einfluss im ländlichen Amanuban nicht vollends zu verlieren. Gegenüber Nesi wirkt Abraham souverän. Alte Seilschaften und Ämter informeller Macht. Einfluss über die verworrenen Wege verwandtschaftlicher Allianzen. Heiratspolitik á la Nope. Die indonesische Regierungsbehörde hat die politische Macht des Adels in Amanuban schon vor langer Zeit gebrochen. Die Niederländer, besonders die beiden christlichen Kirchen, haben die Leibeigenschaft der Landbevölkerung beendet, um sie durch die psychische Abhängigkeit von einer fremden Religion zu ersetzen. Trotzdem hält Abraham mir gegenüber den Schein aufrecht. Tut im Spiel so als ob. Er selbst sei ein Bediensteter des Sonaf in Niki Niki, ein Untergebener einer feudalen Struktur. Wenn Nope ruft, kommt er mit seinen Leuten in den Palast, um zu dienen. Er glaubt, mir damit zu imponieren, wenn ich glaube, er sei ein Mann Nopes. Ahnt Abraham bereits jetzt, womit er mich wirklich beeindrucken kann?
Abraham Sakan ist jetzt Indonesier, aber kein Malaie. Das war er noch nie. Phänotypisch melanesisch wie alle seine Landsleute. Malaiische Indonesier sind in Timor immer Zuwanderer, nie Einheimische, nie Meto, wie sich die Atoin Meto auch nennen. Sie sind indigen, die wahren Atoni, die einheimischen Menschen. Kulturelle Abgrenzung, Identitätssicherung und Diffamierung des Kulturfremden, Kase, was fremd, nicht-einheimisch, ist. Ich beispielsweise! Auch die meistens in Verwaltung und Militär beschäftigten Ausländer, meist Malaien. Niemand spricht von Integration. Sie leben auf Abruf in Westtimor. Die Leute aus Eno Kiu denken nicht so, dazu sind sie schon zu christianisiert. Praktizierte Nächstenliebe statt Fremdenfeindlichkeit. Auch Nopes arroganter Narzissmus ist nicht fremdenfeindlich, nur dünkelhaft. Aber dafür hat er blaues Blut und eine Schlange im Totem. Die hat kaltes Blut. Ich bin fremd und außen vor (moné), nicht innen (nanan), höchstens pseudo-integriert. Kein Einheimischer! Noch-nicht-Mensch! Das ist nicht schlimm. Früher wäre das anders gewesen. Westtimor ist zivilisiert. Den beiden christlichen Kirchen und Java sei Dank. Auch Pieter Middelkoop sei Dank. Er war der erste Brückenbauer. Trotzdem: Die indigene Kultur hat viel verloren. Nicht nur in Amanuban. Die Brücken führen nur auf die andere Seite. Unsere. Einbahnbrücken!
Abraham ist ein Meto, wie kein zweiter, so jedenfalls sieht er sich selbst. Ur-Einheimisch, wäre ihm am liebsten. Asli. In den ersten Wochen sein Lieblingswort. Den Satz gebraucht er am liebsten: Saya asli, asli betul. Pak bisa lihat, so sagt er. So soll ich ihn sehen. Und so sehe ich ihn. Am Anfang, als wir miteinander noch Indonesisch sprechen. Abraham ist eine auffällige Erscheinung. Ein Macho, europäisch gedacht. Ein Mann des Forums. Redegewandt, kommunikativ, flexibel und anpassungsfähig. Er ist klug, intelligent, diplomatisch und ausgleichend. Weiß seinen Vorteil zu finden und zu nutzen, achtet dabei immer auf den anderen. Übervorteilt nie. Angemessen im Geben und Nehmen. Kein Egoist, das Pronomen der ersten Person benutzt er nicht. Immer nur Wir. Inklusiv oder exklusiv, je nach dem wie es der Kontext erfordert. Das ist austronesisch. Die extrem westliche Individualität ist in Timor noch nicht angekommen. Niemand weiß, was Vereinzelung und Entfremdung bedeuten. Gesegnetes Land, glückliche Menschen.
Angegrautes, gekräuseltes Haar und tiefbraune Haut. Schlank, einen Kopf kleiner als ich. Das ist Abraham. Seine Präsenz im Raum ist deutlich spürbar, fast greifbar. Nervöse unruhige Ausstrahlung, neugierige Blicke aus seinen dunkelbraunen Augen, immer in Bewegung. Und immer Betel, Stimulanzien kauend, anregend. In Amanuban so normal wie unser tägliches Kaffeetrinken. Interessiert an seiner Umgebung, teilnehmend und teilhabend; neugierig auf seine Mitmenschen und auf das, was sie bewegt. Lässig gekleidet, immer in kurzer Hose. Darüber eines der traditionell gemusterten und bis zur Wade reichenden Umschlagtücher mit den unterschiedlichsten Hakenmotiven, deren Bedeutung bis hin zum stilisierten Krokodil reicht. Locker um die Hüfte geschlungener Stoff, eine Decke. Dazu ein kurzärmeliges Hemd, auf dem Kopf der unvermeidliche Hut westlicher Provenienz, staubig und zerbeult. Am liebsten der aus Leder. Und barfuß, mit Füssen, staubig und schmutzig, die ich nie sauber sah. Mit Hornhaut, dick wie eine Schuhsohle.
Abraham ist SMA-Absolvent, gebildeter als die meisten in seiner Umgebung, ein Bauer mit Abitur. Er lebte in jungen Jahren bei Verwandten in Kupang. Die Schule hat er dort besucht. Er sah sich um in der Stadt, erlebte, was kaum einer seiner Mitmenschen in Eno Kiu gesehen hat. Er machte keine Karriere in der indonesischen Bürokratie, denn er ist ein Freigeist, ein Atoin Meto, kein Indonesier. Nachkomme von Kopfjägern, von freien Menschen in Westtimors Hügelland, immer ausschweifend, umherschweifend. Sich unterzuordnen, in eine Hierarchie einzufügen, das ist nichts für ihn. So kehrte er nach Amanuban zurück. Trotzdem, er hat sein Heimatdorf einmal verlassen, ist herumgekommen, hat etwas von der Welt gesehen. Er weiß besser als die anderen, was kase sein bedeutet. Wie man sich in der heißen gefährlichen Außenwelt bewegt. Kennt den Umgang mit dem Fremden. Hat Macht, Charisma, bannende Ausstrahlung. Vielleicht versteht er mich deshalb zu gut? Weiß, wie ich mich fühle. Hat er Magie aus Kupang mitgebracht? Die Macht fremden Wissens und des Wortes. Kommt von da sein besonderes Ansehen und Prestige. Prädestiniert ihn in den Augen seiner Mitmenschen dazu, den Kontakt mit mir, dem Fremden, zu suchen und zu gestalten.
Ich war mir nie sicher, ob er übertreibt oder angemessen berichtet. Zuerst im Sonaf, das war Schauspiel, pointiert und karikiert. Besonders seine Selbstdarstellung. Nur sein Wohnort stimmt, nicht einmal sein Name Abraham. Der ist sein Taufname, seinen indigenen, sein Fatun, seinen Ahnennamen, verrät er mit nicht. Das ist nicht üblich in einer Kultur der Namentabus. Der Rest, eben Schauspiel und extreme Selbstdarstellung. Hang zum Narzissmus. Wie Nope, der Nesi heißt, Überfluss, Fülle von allem und jedem. Abraham und Nesi, der Bauer und der Fürst, der Taufname und der Ahnenname. Namen sind wichtig in Amanunban: Eigennamen (kanan), Klannamen (kanaf), Ehrennamen (akun); ganz besonders der Herkunftsnsname (fatun) sowie der Ahnenname (kan nitu), der öffentlich nicht ausgesprochen und geheimgehalten wird. Selbst der moderne, indonesisierte Atoin Meto befolgt dieses Tabu. Magische Rtuale wirken noch Generationen nach, weil religiöse Überzeugungen dem kulturellen Wandel am beharrlichsten widerstehen. Abraham ist sein christlicher Taufname, und ich weiß nicht, ob er nicht eigentlich Kolo, Fanu, Leni oder sonst wie heißt. Seinen Ahnennamen hat er mir nie offenbart. Das hat mit Freundschaft und Vertrauen nichts zu tun, das gehört sich einfach nicht. Schließlich war ich fremd, kase, und als solcher einer aus der heißen Fremde, die maputu ist. Die Rituale der Abkühlung sind längst vergessen. Für Nope gilt das nicht. Sein Charisma hat kühlende Qualität. Traditionell gedacht. Heute schützt ihn sein Narzissmus, überspielt seine Angst vor magischer Manipulation seiner Person durch die Bekanntgabe seines Namens. Ist Nesi Nope der einzige progressive Atoin Meto?
Wieder wird getanzt. Schließlich sind alle deswegen gekommen. Ein TV-Team ist dazu nicht nötig. Spiel- und Lebensfreude. Alte Männer tanzen beeindruckend den Maekat. Mit finsterem Blick und gezogenem Schwert. Bedrückend die Atmosphäre, Ahnung von Gefahr. Düster und hart der Gongschlag. Kopfjägergestus. Vorbereitungsritual auf die Kopfjagd. Der Tanz, langsam in verzögertem Schritttempo, gebeugter Körper, wacher Blick, ruckartige Bewegungen, Staub aufwirbelnd stampfen Füße den Boden, dann wieder langsam, fast schleichend, sich zurücknehmend. Das Schwert um Kopf und Oberkörper kreisend. Die älteren Männer, sicher über sechzig, beherrschen diesen Tanz. Vergangenheit wird lebendig. Jüngere halten sich zurück. Frauen und Kinder im Hintergrund. Ich spüre die heiße Atmosphäre von Krieg und Kopfjagd in Mimik und Gestik der Tänzer.
Dann der Bonet, der Kreistanz. Gemeinschaft der Männer. Festliche, freudige Atmosphäre, Arme liegen auf Schultern, geschlossener Kreis. Verspielte Musik. Nicht treibend. Fließende, plätschernde Klänge im Hof des Sonaf. Und ich mitten unter ihnen. Abraham lässt nicht locker. Warum sollte ich mich verweigern? Unsicher und ängstlich. Berührungen: Arm auf Schulter, Schulter an Schulter, Hüfte an Hüfte stoßend. Langsam bewegt sich der Kreis nach links. Eine schwankende Welle, hin und her schwappend. Ich stolpere torkelnd hinterher, mühsam den Takt haltend, von meinen Nachbarn mehr gezogen als selbst tanzend. Freudiges und übertriebenes Lob, keine Kritik, keine Korrektur. Trotz meiner Fehler, meiner Ungeschicklichkeit. Respektvolle Anerkennung, die Leute aus Eno Kiu fühlen sich geehrt. Nirgends Arroganz. Spielfreude allerseits. Und wieder Lachen, liebevolles Hänseln, nichts Bösartiges. Spielfreude und Lust aneinander. Interkulturelle Kommunikation ohne Worte, allein Teilhabe und Miteinander. Von Nope keine Spur. Daher Ausgelassenheit. Nope sei Dank!
Viele der Tänzer treffe ich schon bald wieder. In Eno Kiu. Anerkennung habe ich erworben und Respekt. Der Kreistanz öffnet mir Türen und Herzen. Im Überschwang lädt mich Abraham ein. Zu ihm nach Hause soll ich kommen. Er tut dies im Übermut der Spielfreude und des Schauspiels. Ohne wirklich zu glauben, dass ich komme. Ohne die Einladung wirklich ernst zu nehmen. Höflich seine Rede, doch unverbindlich. Doch ich nehme ihn ernst und komme, nichts ahnend, nicht um die Unverbindlichkeit des Omong kosong (leeres Gerede) wissend, durchschreite ich, der reine Tor, naiv und glücklich das Tamarindentor, und finde statt Daten Freunde.
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