Freitag, 2. Oktober 2020

Durch das Tamarindentor


Ich bin mir sicher: Abraham ist mir sympathisch, ich mag ihn sofort. Will ihn näher kennenlernen, mit ihm zusammenarbeiten. Er wird nicht mein einziger Informant bleiben, ich werde andere treffen, andere Daten bekommen, vergleichen und korrigieren können. Doch Abraham öffnet mir die Tür in seine Kultur und seine schillernde Persönlichkeit ist faszinierend. Der Abraham, den ich im Sonaf kennenlernte, war nicht wirklich. Er trug eine Maske, spontan für mich entworfen, und spielte eine Rolle, eine überzeugende Inszenierung. Situation und Atmosphäre vor ein paar Tagen in Nopes Sonaf verlangten es von ihm.
Zu Besuch in seinem Haus in Eno Kiu, relativiert sich manches. In den eigenen vier Wänden ist er weniger lautstark, zusammen mit Frau und Kindern, Nachbarn und Passanten, die vorbeikommen, eintreten, sich neugierig umschauen, mich bestaunen, Fragen stellen und weitergehen. Besonders den Kindern steht Überraschung und Unsicherheit ins Gesicht geschrieben. Schüchtern drücken sie sich in die Ecken oder stecken ihre Nasen durch die offenen Türen und Fenster. Abrahams Tür steht für Vorbeikommende offen. Gastfreundschaft ist oberstes Gebot, und Betel gibt es immer. Scheinbar gibt es niemanden, den er nicht kennt. Immer hat er Zeit und die Muße, sich einem Besucher zuzuwenden. Ein perfekter Gastgeber. Das ist in Eno Kiu üblich, lautet seine lapidare Antwort. Auch anderenorts. Schlösser, verschlossene Türen, gibt es nicht. Die Sphäre des Mannes ist das öffentliche Forum. Abraham genießt die Öffentlichkeit. Selbstdarstellung und Selbstinszenierung. Für sich selbst und zum Vergnügen anderer. Die Frauen leben innen, im Hintergrund, im Atrium.
Im Sonaf begann mein Sprachunterricht, Abraham war mein selbsternannter Lehrer. Die Rolle will er behalten, und er erklärt mir im Lauf der Monate noch viel mehr. Sein Sprachunterricht präsentiert mir seine Kultur, den Alltag der Bauern, ihrer Familien, ihre Landwirtschaft. In der Regenzeit unterrichtet er mich. Praxis, nicht Theorie, lautet sein Credo, und so verbringe ich Wochen damit, ihn überall hin zu begleiten. Eigentlich bis zuletzt. Er erklärt, leitet mich an, lässt mich probieren: die Etikette von Höflichkeit und Respekt, Betelkonsum, Arbeit in den Haus- und Feldgärten, Pflanzen und Ernten, Bauen von Wänden und Decken von Häusern. Auch dort, wo man mich nicht dabeihaben will, schmuggelt er mich ein, und setzt sich mir zuliebe über die Kritik seiner Mitmenschen hinweg. An Abrahams Hand werde ich zum Imitator, zu jemandem, der nachmacht und nachplappert. Das Uab Meto ist eine gewachsene Sprache, keine Schriftsprache, ohne eine offizielle Grammatik oder niedergeschriebenes Lexikon. Es gibt kein autorisiertes Lehrbuch. An der Universitas Nusa Cendana in Kupang arbeiten Sprachwissenschaftler daran, den Uab Meto-Dialekt aus Molo in eine Schriftsprache zu transkribieren. Die Atoin Meto sind zwar dominierende Bevölkerung, doch das Uab Meto ist nicht die einzige Sprache Westtimors. Die Bunaq, Ema` oder Tetun sprechen andere, verwandte Sprachen. Bahasa Indonesia sprechen sie alle.
Ich komme ohne Landessprache nicht weiter. Auch ein Dialekt ist mir recht. Abrahams Credo: Er spricht mir vor, setzt Mimik und Gestik ein, öffnet weit den Mund, sodass ich auf seine betelgeschädigten Zähne blicke, wenn er die richtige Aussprache vorführt. Er wedelt mit den Armen, rollt die Augen, sein ganzer Körper macht die Worte lebendig. Ich wiederhole seine Worte, weniger geschickt, weniger bewegt, dafür sehr unterhaltsam. Wieder amüsieren sich alle, wie im Sonaf. Ich bin ein Unikum, eine Sehenswürdigkeit, jemand, den kaum einer versteht, und dessen Anwesenheit alle zumindest merkwürdig finden. Ich will ein Forscher sein, und bin doch ein weißer Elefant. Die Ankunft eines Alien in Deutschland würde nicht weniger Aumerksamkeit erregen. Die Frauen kichern schüchtern und verlegen. Mit schamhaft vor den Mund gehaltener Hand. Die Männer grölen und lachen lauthals. Ich muss sehr komisch wirken. Ich wünsche mir, mich könnte einen Akzent so wie sie hören. Ein Rheinländer, der Uab Meto radebrescht, in breitem Singsang. Ein herrlcher Spaß. Wieder glänzt Abraham als überlegener Lehrer, weist auf Gegenstände hin, nennt mir ihre Namen. Am wichtigsten sind ihm die Körperteile. Alle muss ich lernen. Er lässt erst locker, als ich sie befriedigend nachsprechen kann. Dann kommt die Kleidung an die Reihe. Das ist einfach, da visuell, und weil ich viele Begriffe inzwischen kenne. Die Anwesenden tragen sie am Leib und ich kann sie bestaunen, bewundern, berühren. Fotografieren. Namen werden genannt und landen in meinem Notizbuch. Ich lerne Textilien und Motive zu unterscheiden. Ich notiere so viel ich kann. Abraham korrigiert.

Von Niki Niki nach Eno Kiu schlängelt sich ein stetig abwärts führender Pfad, dort, wo die Überlandbusse nach Kefa abbiegen, am östlichen Rand von Niki Niki. Ungepflastert natürlich, ein unbefestigter und von Schlaglöchern übersäter Weg. Der Weg, zerklüftet von zahlreichen Regenfällen, eher ein Bachbett. Abrahams Wegbeschreibung reicht nicht aus. Ich habe große Schwierigkeiten den Weg ins Tal hinab zu finden, schlage den falschen ein und komme ans Haus von Abrahams älterem Bruder Markus. Aber das macht nichts. Zwei Kinder nehmen mich aufs Moped und bringen mich zurück zur Hauptstraße und auf einen anderen Weg nach Eno Kiu. Abraham Sakan wohnt am Ende dieses Wegs. Fast schon habe ich den Eindruck das letzte Haus auf dem Hügelkamm oberhalb des Westufers des Noel Fatu, des steinigen Flusses, hinter mir gelassen zu haben. Abrahams Gehöft liegt direkt am Weg. Das vordere Haus, rechteckig, modern. Ein Gebäude fremder Architektur, ein Uem kase. Importiert und von der indonesischen Verwaltung als Rumah sehat, gesundes Haus, propagiert. Ein unüberbrückbarer Kontrast zu den indigenen Wohnhäusern der Atoin Meto. Aber auch die gibt es, wie überall in den ländlichen Höfen, auch hier.
Abrahams Einladung nach Eno Kiu, dem Tamarindentor, öffnet mir den schwierigen Schritt in die Abgeschlossenheit der Weiler, die meistens aus mehreren Höfen bestehen, viele davon verwandtschaftlich verbunden, und deren Leben sich im Inneren abspeilt. Endlich ein Kontakt außerhalb des bürokratischen Korsetts der indonesischen Administration, das Wichtigste an meiner Bekanntschaft mit Abraham Sakan. Bewohner von Eno Kiu weisen gleich am ersten Tag mit Stolz erneut darauf hin, dass Abraham Sakan ein SMA-Absolvent ist. Er quittiert wortlos, kommentiert das Lob mit unbeweglichem Gesichtsausdruck. Aber der Mörtel dieser Fassade ist locker und ich spüre seinen Stolz auf seine höhere Ausbildung.
Nicht weniger stolz führt er mir seine drei hellhäutigen Kinder vor, mit blonden Haaren, die so fein (halus) sind, wie die meiner Tochter. Er selbst nennt die Haarfarbe, die bei uns blond heißt, rot, merah. Er hat fünf Kinder, drei Jungen und zwei Mädchen. Sein erstgeborener Sohn, der nicht bei ihm lebt, hat auch diese roten Haare, der zweitälteste Sohn hat schwarze hitam), seine beiden Töchter sind blond, und der jüngste Sohn hat wieder schwarze Haare. Seine beiden jüngeren Söhne wirken malaiisch, die anderen Kinder melanesisch. Papua? Albinos oder europäisches Genom, niederländisch oder portugiesisch? Irgendwo in der Ahnenreihe der Sakan oder der Lanù, der Abstammungsgruppe seiner Frau. Schmelztiegel Timor. Jahrtausendelang Durchzugsgebiet, Drehscheibe und Schnittstelle der malaiischen Wanderungen. Viel früher austalische oder Papuakulturen. Zuletzt die Indonesier, die Verwalter, Techniker, Lehrer der rezenten herrschenden Klasse. Alle zogen durch, ließen manches zurück. Das ist Westtimor. Das sind die Atoin Meto. Spuren reichen bis in Abrahams Familie.
Schon im Sonaf fielen mir Abrahams gefeilte und rotschwarze Zähne auf. Ich dachte sofort an die mysteriösen Nis metan, eine Gruppierung mit hohem Sozialprestige, von der ich verstreute Hinweise in der Literatur gefunden hatte. Diese verfügten einst über bestimmte Vorrechte. Sie zeichneten sich durch das Privileg aus, ikat-gemusterte Kleidung tragen dürfen, erwarben sich das Recht auf schwarze gefeilte Zähne im Rahmen aufwendiger Verdienstfeste, die sie ausrichteten und für die viele Rinder starben. Reichtum vorausgesetzt. Gehörten die Nis Metan zu der autochthonen Bevölkerung Westtimors? Es gab auch die Nis muti, die mit den hellen, ungefärbten Zähnen. Beide Gruppen unterschieden sich durch die Farbe ihrer Zähne, ihrer Tätowierungen und dem Kleidungsprivileg. Der Jahrzehnte in Timor lebende niederländische Pastor Pieter Middelkoop hat darauf hingewiesen, dass die Grenze, die die Nis Metan von den Nis Muti trennt, Insana und Beboki war, und dass Kono und Oematan, frühgeschichtliche Neuankömmlinge aus Belu, zu den Nis Muti gezählt worden seien. H.G. Schulte Nordholt wiederum erwähnt in einen knappen Kommentar, dass beide Gruppen unterschiedliche Farbpräferenzen in ihren textilien Musterungen verwenden: für die Nis Metan schwarzblaue Indigopartien in den Mittel- und Seitenbahnen ihrer Hüfttücher (Mau in Südwesttimor beziehungsweise Beti in Nordosttimor und Amarasi), für die Nis Muti die weiße Farbe der Baumwolle in den mit broschierten Mustereinträgen (buna`) dekorierten Mittelbahnen. Zwei Territorien und ihre Farbpräferenz, zwei vorindonesische, vorkoloniale Reiche der Atoin Meto, Marker ethnischer und politischer Identität. Privilegien des Adels allemal. Wer heute durch diese Territorien reist, kann beobachten, dass diese Farbpräferenzen noch längst nicht der Vergangenheit angehören. Allerdings sind sie, außer territorial zu sein, ihrer Privilegien ledig.
Mag die Sitte des Schwärzens und Feilens der Zähne früher in aristrokratischen Kreisen verbreitet gewesen sein, so sieht man heute in Amanuban kaum noch jemanden mit gefeilten und geschwärzten Zähnen. Und erst recht nicht mit Tätowierungen. Vielleicht noch die eine oder andere alte Frau. Üblich ist die Zahnfeilung als Lebenszyklusritual auf der westindonesischen Insel Bali bis heute; früher wurden dort die gefeilten Zähne mit Betelsaft geschwärzt, was andeutet, dass diese Praxis einst im Archipel weit verbreitet gewesen sein könnte. Zahnfeilen als Übergangsritus im Zusammenhang mit der Beschneidung scheint einst in den aristokratischen Kreisen Amanubans üblich gewesen zu sein, wenn auch heute nicht mehr gerne darüber gesprochen wird. Im Nope-Palast zu Niki Niki leben noch ältere Männer, die als äußeres Zeichen ihrer Beschneidung gefeilte Zähne haben. Aber all das gilt als heidnisch, erzählt man mir hinter vorgehaltener Hand. Schwer verifizierbar. Bei Abraham Sakan liegt der Fall anders. Er verdankt seine geschwärzten Zähne seiner Vorliebe für das Betelessen. Ob sie wirklich gefeilt waren, schwer zu sagen bei jemandem, auf dessen Zähnen ständig mit Betelreste lagerten.
Im Sonaf zu Niki Niki beschränkt sich mein Kontakt mit Abraham auf eine als Unterhaltungsshow inszenierte Unterweisung in kultureller Etiquette, gutem Benehmen, einem gewagten Crashkurs in Uab Banamas sowie den Grundlagen des Bonet-Tanzes. Meine Ungeschicklichkeit bildet den Höhepunkt des nachmittäglichen Vergnügens. Abraham ist es an diesem Nachmittag besonders wichtig, mich in die besondere Bedeutung, das unbedingte Muss, ein Keharusan, wie er sagt, des Betelkonsums als wichtigstes Mittel sozialen Handelns und der Kommunikation einzuweihen. Gemeinsames Betelessen ersetzt die Grußformel, macht miteinander bekannt, schafft Vertrautheit untereinander. Augenblicklich wird mir klar, was von mir erwartet wird. Es würde nicht ausreichen großzügig die begehrten Filterzigaretten auszuteilen, um Kontakte und Arbeitsbeziehungen aufzubauen. Ich werde mich überwinden müssen und mit dem Betelessen beginnen. Doch noch habe ich Glück. Während alle genüsslich mit vollen Backen kauen, lässt man mich gewähren. Ich komme noch einmal davon; für jetzt, kein Rausch und keine Übelkeit, keine Betel-Intoxikation, wie schmunzelnd und verständnisvoll kommentiert wird. Noch nimmt man meine Greenhornrolle hin. Mein Bonet-Tanz im Sonaf gewährt mir eine Gnadenfrist, die ich nicht verspielen will. Denn wer sich einmischt, muss auch mitmischen können, beobachten ohne teilzunehmen, dabei sein heißt das Leitmotiv. Konsequenzlos. Angepasst ans Indigene. An die Etiquette sozialer Konvention. Es beleidigt, jemanden nicht zu grüßen, die zum Gruß gereichte Hand zu ignorieren. Der Durchbruch zu meiner ersten wirklichen Beziehung war geschafft. Wie würde es weiter gehen?

Abrahams Gehöft liegt etwas abgelegen, am nordwestlichen Rand von Eno Kiu (vgl.a. Die Eno Kiu-Tagebücher). Ein großer, von Vegetation frei gehaltener Platz zwischen Vorderhaus und Dorfstraße. Zuerst das rechteckige Haus moderner Bauart, das gesunde Haus. Dahinter der eigentliche Hof. Zwei weitere Gebäude in beträchtlichem Abstand zueinander: das Ume kbubu, das traditionelle Haus, Küche und Schlafplatz der Familie, das Frauenhaus mit runder Grundfläche in Form eines überdimensionierten Bienenkorbs. Die Gebärmutter Amanubans, wie Tipe Mesahk Banamtuan, Penatua in Niki Niki Un, es einmal nannte. Ein Stück entfernt der Lopo, Versammlungsplatz der Männer, das Forum des Haushalts und gleichzeitig Getreidespeicher. Über den palavernden Männern lagert der Mais, darunter das so wichtige Saatgut für das kommende Jahr. Die Atoin Meto erzählen von einer Analogie von Kleidung und Wohnhaus, der eine metaphorische Bedeutung unterliegt. Die beiden traditionellen Gebäude eines Atoin Meto-Gehöfts besitzen eine runde Grundfläche. Die kreisförmigen Wohnungen sind oft durch Steinsetzungen gegen die übrige Siedlungsfläche abgegrenzt. Das weibliche, fensterlose Ume kbubu, dessen Dach bis auf den Erdboden hinabreicht, ist abgeschlossener und abweisender kaum denkbar. Dieses runde Wohnhaus ist der primäre Wohn- und Arbeitsbereich der Frau. Es symbolisiert die Frau und ist im Geburtsritual der Uterus des Haushalts. Und ebenso wie das Dach des Wohnhauses bis auf den Boden reicht, bedeckt die Kleidung der Frau, der Tais, ihren Körper von der Taille bis hinab auf die Füße. Wie fremde Blicke den Weg nicht ins Innere des Hauses finden, ist auch die Wade der Frau vor diesen Blicken verborgen. Dieser Vergleich besteht auch zwischen dem als männlich klassifizierten Speicher-, Gäste- und Versammlungshaus, dem Lopo und dem Hüftuch der Männerkleidung, dem Mau. Wie das Dach dieses Gebäudes nicht bis auf den Erdboden hinabreicht, so bedeckt auch das Männerkleid nur die halbe Wade des Beins und ermöglicht ihm, sich im Rahmen seiner Aktivitäten im heißen Draußen schneller und leichter zu bewegen. Während die Kleiderordnung der Atoin Meto-Tracht dem Mann im allgemeinen vorschreibt, sein Umschlagtuch bis auf die Waden hinabzutragen, erkannte man einst den Krieger-Kopfjäger, den Meo, den männlichsten Mann, der sich als Wohltäter seiner Gemeinschaft der heißen und todbringenden Kopfjagd außerhalb des umfriedeten Siedlungsplatzes widmete, daran, dass ihm seine Kleidung nur bis ans Knie reichte. Am Rand des Hofs ein Viehkraal, ein O´of, mit einem Eber. Fruchtbäume und Nutzsträucher wachsen am Rand des Wohnbereichs, dem Hausgarten, und versorgen den Haushalt mit frischem Gemüse, mit Früchten und anderen Nutzpflanzen: Leno, Leon boko, Ata`, Upan, Fenu, Kofi, Tua, Noa, Taum abas. Alles überragend, den Platz beherrschend, eine der großen Tamarinden (kiu) mit ihren säuerlichen und den Durst stillenden Früchten, einer er Bäumen die dem Ort ihren Namen geben.
Wir sitzen im Empfangsraum von Abrahams Steinhaus, dem gesunden der drei Gebäude. Dem imposantesten Gebäude seines Hofs: gemauert, aus Steinen errichtet mit einem Dach aus Alang Alang-Gras. Wieder diese Mischung traditioneller und moderner Elemente, die man in Amanuban, und darüber hinaus in ganz Westtimor, dieser Tage so häufig findet. Alang Alang ist eine hartnäckige Grasart, die in Timor überall wuchert, und wohl nie mehr zu beseitigen ist, wild und bodenzerstörend. Ein "Unkraut", ein Ärgernis für den Bauern, und doch nicht nutzlos. In Eno Kiu ist es Baumateral. Der Vormittag beginnt mit Betelessen, Rauchen und Small-Talk. Denjenigen, die mich noch nicht kennen, erzählt man von dem Nachmittag im Sonaf, was die Männer sehr unterhaltsam finden. Abraham kann sich nicht beruhigen. Er fängt immer wieder damit an, wie erfreut und zugleich erstaunt er über meinen Besuch bei sich zu Hause ist. Besonders wundert ihn, dass ich den weiten Weg von Oebesa in Soë auf mich nehme, nur um ihn zu besuchen. Er versichert sich mehrfach ausdrücklich, ob ich nur zu ihm wollte. Oder ob mein Besuch nicht mit anderen Zwecken verbunden ist. Als das geklärt ist, organisiert ein improvisiertes Gästebuch, ein Buku tamu, das er aus einem der hinteren Räume holt, in das ich mich eintragen muss. Verwundert lese ich die letzte Eintragung: 5. März 1990, ein Besuch aus Kupang, der Hauptstadt Westtimors, vor einigen Wochen. Es bleibt mit unklar, wer der Gast wirklich war. Ein Beamter aus der Provinzhauptstadt. Noch ist Timor geteilt und der Osten der Insel von Indonesien annektiert. Nachts fahren immer wieder Militärkonveys an unserem Haus in Oebesa vorbei. Doch Amanuban ist ruhig und friedlich. Kein Platz für Kopfjäger, Guerillas oder Todesschwadronen. Das alles scheint weit entfernt, wie in einem anderen Land.

Abraham führt mich durch sein Gehöft. Eine Führung. Erläuterungen. Ich darf das Ume Kbubu betreten. Trete ein in die Intimität des Haushalts. Metaphorisch: In die Gebärmutter Amanubans. Fühle mich geehrt. Später führt er mich zu seinem Lopo. Der steht abseits. Beide Gebäude besitzen einen Speicherboden (panat) für die Lagerung von Getreide. Fast immer Mais (pena). Hauptnahrungsmittel. Immer ergänzt durch Bohnen als wichtigstem Proteinspender. Mais allein kann das nicht. Ein Lopo muss fünf Stützpfeiler (ni) haben. Dies gehe auf die Ahnen zurück, sei der Atoin Meto Panca Sila, ihr Wertekodex. Dasselbe gilt für ein Ume kbubu. Abrahams Lopo, etwas windschief, erhebt sich über einem zentralen Stützpfeiler. Eine modische Neuerung, die man jetzt häufig in den Städten oder an den Hauptstraßen sieht. Ein Symbol der Kultur. Für die Touristen.
Das Mittagessen besteht aus Mais. Zur Feier des Tages gibt es zusätzlich Reis (ane). Den muss man kaufen, belastet das knappe Budget. Gastfreundschaft und respektvolle Geste. Dazu Bohnen und gekochte Kürbisblätter, gemischt mit den orangefarbigen Blüten. Ich lasse es mir schmecken. Und es schmeckt. Wir essen im Rumah Sehat, im vorderen Zimmer, im Steinhaus. Vor dem Essen gesenkte Köpfe, ein stummes Gebet. Später, mit wachsender Vertrautheit, nicht mehr. Heute aus Respekt für meine Religion. Die aus dem Westen. Im Hintergrund Arbeitsgeräusche. Ein zweites rechteckiges Haus entsteht. Die Holzkonstruktion ist fertig. Abraham spricht von einem Verwaltungsgebäude. Einem Versammlungshaus. Überregional natürlich. Und was ist daran meto? Was wird aus seinem Lopo, der vernachlässigt wirkt? Später sehe ich, dass nur noch Abrahams Vater, ein Greis, in seinem Schatten sitzt. Die Moderne hat längst Einzug gehalten, Abrahams hundert Prozent einheimisch nichts als leeres Gerede.
Nach dem Essen ein zweiter Rundgang im Hof, eine lockere Runde unter freien Himmel. Rauchen, Schwatzen und eine Belehrung über die Herstellung von Tontöpfen. Betel macht die Runde. Die wievielte? Ich weiß es nicht. Wir besuchen einen Hof in der Nachbarschaft. Dort befindet sich die Töpferei des Ortes. Furchen und Löcher durchziehen den Boden. Ein verfallendes Ume kbubu, das unbewohnbar ist, das Grasdach schadhaft. Gruppen von Gefässen sind um ein schwelendes Feuer gruppiert. Tonhaltige Erde (nai) wird mit Asche (afu) und feinem Sand (snaen) gemagert und unter Wasserbeimischung geknetet. Aus einem Tonklumpen wird mit Hilfe eines Lontarkerns (poke) und einer Rippe (nui mnutu) des Wasserbüffels (bia meto) der Topf aus dem Vollen hochgeklopft. Vor dem Brand trocknet man die fertigen Gefässe in der Sonne (hoi), der in einem offenen Meilerbrand beendet wird (notu). Außer den großen, bauchigen Vorratsbehältern (nai fatu) produziert diese Töpferei schüsselförmige Vorratsbehälter (tasu oder bokol) für Reis und Mais sowie Teller (fane oder faen fatu) aus toniger Erde. Ein Faen Fatu und ein Löffel (sunu oder sun noa) aus der gebogenen Schale einer Kokosnuss (nua) bilden das traditionelle Essbesteck der Atoin Meto. Es sei eine Quelle des Wohlgeschmacks den ein Metallbesteck nicht bieten kann, so Abraham großspurig. Selbst der Bupati in Soë, belehrt er mich, isst mit solchem Besteck. Warum kann ich mich nicht erinnern? Eine grobe Ware, die so entsteht. Unansehnlich und nicht wasserdicht. Von einer Verzierung keine Spur. Verfallendes Handwerk? Abraham ist stolz auf seine Töpferei, die er als indigen anpreist. Ich denke an die einfachen, schmucklosen Gongs im Sonaf. Doch Abraham ist in seinem Element, und lässt mich kaum zu Wort kommen. Er ist damit zufrieden, wenn ich zuhöre und notiere. Lautstark und kompetent gibt er den Dolmetscher, den Exegeten, den Wissenden. Er vermittelt seine Kultur. Heute die Töpferei, morgen jeden Aspekt seiner Kultur, der uns begegnet. Ich mache mit, lasse mit leiten, lerne.
Mein erster Besuch in Abraham Haus verläuft in der gleichen zugewandten Atmosphäre wie vor Tagen im Sonaf. Der Kontakt ist schnell wieder hergestellt und herzlich. Beigetragen hat dazu sicherlich die mehr private Umgebung seines Hauses im Kreis seiner Familie und Nachbarn. Wieder sprechen wir über mein Forschungsprojekt Tracht, textilie Musterung und Territorialität. Ich spüre, dass ich mit meinen Fragen sein Interesse wecke. Abraham verspricht Informantionen, spricht von Materialien, Kleidung und Experten. Der größte Experte sei er selbst. Kein häufiges Ja Ja wird schon, wie ich es in Indonesien oft höre, wenn man mich beruhigen und loswerden will. Die übliche konfliktvermeidende, harmoniesichernde Floskel. Nachdenklichkeit. Überlegte Antworten. Ein Zeichen für mich! Kein Omong kosong? Abraham Sakan hat Umfang und Bedeutung meines Projektes verstanden. Vielleicht auch die für sein Volk. Er willigt ein, mir alles über die Atoin Meto-Tracht in Theorie und Praxis zu erklären, mir zu zeigen. Supaya bisa lihat dengan mata, wie er es gerne auszudrücken pflegt. Ich bin skeptisch. Ob er etwas über die Bedeutung der Ikonographie weiß? Ich kann es mir nicht vorstellen. Er ist ein Mann und die Weberei in Westtimor ist Frauensache. Auf seine Experten bin ich gespannt. Doch er ist Narzisst, überzeugt von sich selbst, eine schillernde Persönlichkeit, die andere leicht in ihren Bann zieht. Er übertreibt schamlos, redet sich um Kopf und Kragen, indem er verspricht, was er nie halten kann: die Unterstützung des ganzen Dorfes, „seines Volkes“. Dass er die Fähigkeit hat, ein solches Projekt zu organisieren, will ich ihm glauben. Aber die Möglichkeit dazu ist etwas völlig anderes.
Abraham Sakan bemüht sich um mich, präsentiert sich als hundertfünfzigprozentig traditionell. Er glaubt an sich, während ich mir um seine Motive noch keine Gedanken mache. Auf meine Testfrage, ob es sich bei dem Indigostrauch (taum) in seinem Garten um Tau meto oder Taum kase handelt, reagiert er sprachlos und verunsichert. Er versteht nicht, was ich von ihm will. Er weicht mir aus, erwidert, dass er kein gekauftes Garn und keine synthetische Farben für die Ikatpartien (futus) seiner Kleidung duldet. Alles ist meto. Da ist es wieder, das Zauberwort seiner Kontaktpflege zu mir. Zur Bekräftigung seiner markigen Worte schenkt er mit einen Löffel, einen Sun makolo, der aus der Schale einer Kokosnuss geschnitten ist. Der ist wirklich indigen. Da kann ich nichts mehr sagen. Von jetzt an muss ich mit ihm essen, fordert er mich auf. Kein Aluminiumbesteck mehr. Mit diesem Löffel ist alles schmackhafter. Ich bin überzeugt. Einen der Tonteller (faen fatu) will er mir noch besorgen. Ebenfalls meto. Wir lachen. Niemand ist mehr ernsthaft, aber wir verstehen uns in gemeinsamer Kritik am sogenannten Fortschritt. Abraham selbst hat nie mit einem solchen Löffel von einem irdenen Teller gegessen. Das weiß ich genau, denn wir haben in den kommenden Monaten oft zusammen gegessen. Gesehen habe ich aber, wie ein Freund von ihm seinen Mais mit einer Schöpfkelle aus einer Spülschüssel aß. Welch ein gigantischer Appetitt für einen großen dünnen Mann wie Toni.

Abraham gehört zu den ersten, die mir bestätigen, dass die Atoin Meto ihre prächtig gemusterte Kleidung zu bestimmten sozialen Anlässen tragen. Dies reicht über mein bisheriges Literaturstudium hinaus. Das ist live und hautnah. Ist es auch authentisch? Ihn jedenfalls hinderte es nicht daran, sich täglich seinen Mau über die kurze Hose zu binden. Er erzählt von besonderen Kleidungsstücken für den Markttag, für die Kirchenbesuche oder die verschiedenen Rituale der Geburt, der Heirat oder des Todes. Er doziert sehr ausführlich und detailliert über kulturelle Themen. Leider auch allzu sehr nach meinem Mund. Zu vieles improvisiert. Aber das verstehe ich erst viel später. Auch seine Motivation. Aber da waren wir schon gute Freunde und Verschworene in Sachen Kultur. Gemeinsam gegen so manchen fundamentalistischen Hardliner, den meine Neugierde störte.
In unserer Begegnung inszenierte Abraham seine Kultur. Diese Selbstinszenierung aus der Innenperspektive des einzelnen Kulturteilnehmers, mehr noch aus dessen Erinnerung von dem was einst und heute als meto gilt und immer noch ist, bildete zwei Jahre lang eine Fundgrube von interessanten Informationen und Fragen, denen ich auf unterschiedliche Weise nachgegangen bin. Allmählich entstand ein doppelt subjektiver Fokus auf diese ostindonesische Kultur: einerseits aus der individuellen Perspektive eines einzelnen Mitglieds dieser Kultur, andererseits auf die gemeinsamen kulturell verbindlichen Überzeugungen seiner Kultur. Abraham Sakan war, retrospektiv betrachtet, einer der Führer einer in gegenseitiger Subjektivität interkulturell ausgerichteten Forschungsmethodik. Unser gemeinsamer Ansatz, uns als Individuen aufeinander einzulassen, konstruierte soziale und kulturelle Wirklichkeit in unverwechselbarer Originalität. Meine Kontakte und Beziehungen in Eno Kiu bildeten ein exklusives Labor der Re-Konstruktion ethnischer und kultureller Identität in emischer Perspektive. Ein Basislager für die vielen Ausflüge in die Kultur der Atoin Meto. Abraham Sakans Engagement und Ideenreichtum transformierten meinen ethnologischen Eros in den Stift des Chronisten. Was wir gemeinsam fanden und wieder neu erfanden oder zurückfanden, war das, was vorhanden war und ist und sich nur im jeweiligen Auge des Ethnographen immer wieder anders darstellt: die rezente Sicht auf eine ostindonesische kulturelle Überlieferung. Ob auch die Atoin Meto-Ahnen, als Mitglieder der kosmischen Kultgemeinschaft, an der Spiel- und Improvisationsfreude ihrer Nachkommen teilnehmen, und deren Interpretation und Sinnpflege des Überlieferten als Ergebnis eines unaufhalfsamen kulturellen Wandel akzeptieren können, wer weiß.
Abraham Sakan inszenierte seine Kultur für mich, den westlichen Gast, im Rahmen einer Schüler-Lehrer-Beziehung. Am Anfang orientierte sich diese Inszenierung am wenigsten an meinen Bedürfnissen und Fragen und auch weniger an seiner Begeisterung für kulturelle Themen. Diese entstand erst im Verlauf unserer Zusammenarbeit und Freundschaft. Seine zunehmende Sensibilität für eigenkulturelle Themen und Belange überraschte Abraham letztlich selbst. Was ihn zuallererst motivierte war die Gelegenheit, Ruhm und Ansehen auf sein Haupt zu mehren und dies tat er mit all seiner Energie, seinen Beziehungen und seiner kulturellen Kompetenz. Er blieb diesem Ziel auch dann noch treu, als er sich öfter zwischen die Stühle divergierender sozialer und politischer Interessen setzen musste. Immer selbständiger übernahm er die Führung durch die Komplexität kultureller Etiquette und deren Normen, Regeln und Werte. Von ihm lernte ich zu verstehen, was es heißt, Atoin Meto zu sein, was es bedeutet, kulturelle Identität angesichts rasantem Wandel zu wahren. Ich verstand die Atoin Meto und ihr entbehrungsreiches Leben im ländlichen Amanuban. Und bewunderte ihren Gleichmut, ihre Freundlichkeit und ihre Fähigkeit, ganz in der Gegenwart zu leben.
In mein Tagebuch schrieb ich damals: Immer noch auf der Suche nach Informanten, nach zuverlässigen und wissenden Männern. Diese Schwierigkeit erscheint mir unlösbarer denn je. Immer wieder die Erfahrung, dass sich jeder, den ich um Antworten und Exegesen bitte, von sich behauptet, er wisse alles, sei wirklich Meto im Wortsinn des Überlieferungsträgers. Jeder gibt vor, authentisches Wissen über seine Kultur zu besitzen. Ob es sich bei einer solchen Behauptung um die Wahrheit in all ihrer Relativität handelt oder um leeres Gerede, stelle ich immer erst viel später fest. Einerseits habe ich noch nicht die Kompetenz dies zu beurteilen, andererseits noch nicht den Mut, mich auf all diese großspurigen Versprechungen einzulassen, ohne die Angst, mich im Dschungel subjektiver Beschreibung zu verlieren und wissenschaftlich zu scheitern. Wirklich Da-Gewesen-Sein und Teil-Gehabt-Haben ist die Methode des affektiven Betroffenseins, des Sich-Berühren-Lassen. Ist Plausibilität ein geeignetes Mittel? Inzwischen habe ich viele Fehler gemacht und schließlich verstanden, viel von meiner anfänglichen Naivität verloren, viele Enttäuschungen und Rückschläge erlebt. Es bleibt schwierig, weiteren Versprechungen und anderen potentiellen Informanten immer wieder zu vertrauen. Es ist eine Herausforderung, angesichts der Inszenierungslust der Männer in Amanuban nicht rettungslos misstrauisch zu werden. Inzwischen befinde ich mich in der Mitte: zwischen leerem Gerede und der Orientierung an meinen eigenen Zielen und Vorgaben. Alles was mich zu weit davon ablenkt, behandele ich vorsichtiger. Abraham verdanke ich in diesem Prozess, meine Neugierde zu bewahren. Trotzdem will ich mich weiter auf meine Gesprächspartner einlassen, meine eigene und deren subjektive Perspektive würdigen, sonst verliere ich die Möglichkeit, überhaupt mit jemandem zu reden. Ich frage mich: Wie viele Ethnologen vor mir haben mit einem Abraham Sakan zusammengearbeitet? Wie vielen von ihnen erging es wie mir oder noch ganz anders? Was ist wirklich von angeblich objektiven Daten halten? Wie ist es um die Ehrlichkeit wissenschaftlicher Forschung bestellt, besondere der ethnologischen?
In meiner Euphorie, endlich indigene Kontakte gefunden zu haben, überschätzte ich anfangs Abrahams Rolle für meine Forschung. Er ist alles andere, aber nicht der wertvolle und kenntnisreiche Informant und Mitarbeiter, den ich bei unserer ersten Begegnung in ihm sehen wollte. Aber er wurde mein erster verlässlicher Freund, was wichtig war. Mitarbeiter habe ich später zahlreiche gefunden. Sehr schnell ist er mir sympathisch geworden, und vertraut, der Mann vom Tamarindentor, mit dem ich über viele kulturrelevante Themen diskutieren konnte. Redegewandt und wendig in seinem Denken. Er bringt mir den Atoin Meto fern jeder wissenschaftlichen Forschung näher. Seine Führungen durch seine Kultur waren im Verlauf meiner Feldforschung eine wertvolle Basis auf der ich meine Arbeit in Amanuban aufbauen konnte. Ohne seine Einführung und freundschaftliche Begleitung wäre vieles nichts entstanden.
Abraham teilt mein Interesse an den Traditionen seiner Kultur, lässt sich von mir verführen und sensibilisieren. Er versteht, was die indonesische Bürokratie, der ich meine Aufenthaltsgenehmigung verdanke, nicht verstanden hat: Warum meine Anwesenheit in seinem Land für uns beide wichtig ist. Für beide Völker, jenseits von Sprache und Etiquette. Gemeinsam ergreifen wir die Gelegenheit uns gegenseitig zu unterrichten und zu belehren. In gemeinsam akzeptierter Fremdheit entstand eine Brücke.

Abraham Sakan ist ein Mann, der sich seiner Verwurzelung in der Kultur sicher ist. Er muss nicht wissen, er vertraut. Seinem latentem Wissen und dem, was er für richtig hält. Daran lässt er mich teilnehmen, damit ich verstehe. Und er versteht, was es heißt, fremd zu sein. Abraham Sakan ist ein Brückenbauer. In seiner sozialen Position in Eno Kiu vermittelt er zwischen mir und seiner Kultur, macht mich und mein Projekt über seine regionalen Grenzen hinaus bekannt. So werden wir beide zu Reisenden in Sachen Kultur. Und er ist Synkretist. Protestantischer Christ und Traditionalist, seinen Überlieferungen verbunden. So wie er sie versteht. Er nimmt sie ernst. Insofern ist er Meto. Die Daten, die er in meine Feldforschung einbringt, sind, gemessen an dem, was ich schließlich erreicht habe, unerheblich und in vielem suspekt. Er sieht seine Aufgabe darin, mich zu erziehen. Ihm verdanke ich es, dass ich mich in Amanuban respektvoll bewegen konnte. Erst so verändert bekomme ich die Gelegenheit, andere Männer kennenzulernen. Jene, die das wirkliche Wissen besitzen, nach dem ich auf der Suche war. Ohne Abrahams Ausbildung in Atoin Meto-Kultur hätten diese mich nie akzeptiert.
Und Abraham: Er hat seine eigenen Obsessionen befriedigt, sein eigenes Abenteuer erlebt und hatte seinen eigenen Gewinn. Er hat seine Vorzüge übertreiben dargestellt, seine Position und seine Siedlung. Er gewann an Ansehen und sammelte Ruhm und Ehre auf seinen Namen und den seiner Vorfahren. Er ist ein echter Sohn Timors, zwar kein Kopfjäger mehr, umso mehr ein Prestigejäger.

Copyright 2019-2021. All Rights Reserved (Texte und Fotografien)

Amanuban Mon Amour ist urheberrechtlich geschützt. Alle Websites und Inhalte dieses Blogs dürfen nur zum privaten Gebrauch verwendet werden.
Jegliche unautorisierte gewerbliche Nutzung ist ohne meine ausdrückliche Zustimmung untersagt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen