Donnerstag, 30. April 2020

Was einst der Adel trug, trägt heute jeder


In ihrem kulturellen Kontext betrachtet machen Textilien, besonders als Kleidung oder Tracht, Aussagen über Einstellungen, Werte und Überzeugungen ihrer Träger. In relativ geschlossenen Gesellschaften, wie die der Atoin Meto Amanubans jenseits der Provinzstädte noch immer ist, schafft symbolische Kommunikation nicht ohne weiteres neue Aussagen. Sie werden dann von den Rezipienten nicht mehr verstanden werden und verlieren ihre expressive Funktion. Bedeutungssyteme einer Gesellschaft, die auch ihrer Ikonographie zugrunde liegen, können nicht von einem Individuum erzählt werden.
Außer Bekleidung des Körpers zu sein, spielen Textilien auch eine Rolle, die über den reinen Bekleidungszweck hinausreicht. Textilien, die als Kleidung verwendet werden, erfüllen eine doppelte Funktion. Alltagstextilien werden im Alltag getragen, immer dann, wenn der Träger keine Veranlassung sieht, sich in besonders aussagekräftiger Kleidung öffentlich zu präsentieren. Für ihre Herstellung ist kein besonderer Zeit- oder Kostenaufwand, kein ritueller Rahmen, keine besondere Mühe und Sorgfalt notwendig. Alltagstextilien besitzen nur die eine Funktion: sie sollen den Körper wärmen, schützen und bedecken. Ihre Funktion ist rein instrumental, und entspricht darüber hinaus dem moralischen Sittlichkeitskanon einer Gesellschaft.

Ganz anders Ritualtextilien, die für einen außergewöhnlichen, immer wiederkehrenden Zweck hergestellt und getragen werden. Dazu gehören Festkleidung, Trauerkleidung und jede Form konsensualisierter Zeremonialkleidung. Neben ihrer instrumentalen Funktion besitzen diese Textilien eine expressive Funktion: Sie sagen etwas über ihren Träger aus, evozieren latentes Wissen seiner Kultur, das er mit Worten nicht ohne weiteres sagen kann. Sie integrieren den Träger in eine bestimmte Situation, in ein Ritual, einen besonderen Status, Alter, Geschlecht oder Wohlstand, und sicherten ihn der Vergangenheit die Zugehörigkeit zu einer sozialen oder politischen Gemeinschaft, die sich auf gemeinsame religiöse und ethische Überzeugungen geeinigt hat.
Die Farbpräferenz ihrer Tracht signalisierte einst die Herkunft aus einem der politisch unabhängigen Territorien ihres Trägers. In diesem Kontext kennzeichneten Amanuban und Amanatun vorwiegend schwarze, Molo und Mionafo weiße Textilien. Auch die unterschiedlichen Verzierungstechniken waren in dieser Hinsicht relevant: Ikat (futus) gehörte zur schwarzen, die Kettentechnik Lotis zur weißen Tradition und die broschierte Mustereinträge (Buna`) wiesen eher auf die soziale Schicht als auf ein Territorium hin. Noch erheblich gesteigert wird die Expressivität ihrer Tracht durch äußerst aufwendige Musterungen. Rangunterschiede waren an einer reicheren Ornamentik erkennbar. Die in den meisten Fällen sehr spezifische Ausdrucksfähigkeit der Musterungssysteme diente nicht nur dem ästhetischen Genuss des Betrachters, sondern war identitätsstiftend und ganz auf Wiedererkennung und Symbolisation kulturspezifischer Überzeugungen angelegt. Die in meist äußerst komplizierten Verzierungstechniken hergestellten Motive erhielten so die Funktion von Zeichen mit symbolischer Bedeutung, die auf die Zugehörigkeit der Träger dieser Textilien zu einer bestimmten Situation, einer bestimmten Gruppe oder einer bestimmten Vorstellung hinwiesen. Neben der Aussage von geteilten Überzeugungen und der Integration in eine Gemeinschaft erwarben Träger und Produzentin soziales Prestige durch eine besonders aussagekräftige und ästhetische Realisation des Überzeugungssytems mit ikonographischen Mitteln: Marker einer territorialen, sozialen und politischen Identität, Medium des Wir-Gefühls einer ethnischen Zugeörigkeit.

Jeder, der einmal mit indonesischen Textilien in Berührung gekommen ist, kennt sie, die farbenprächtigen Textilien der Atoin Meto, deren Ausdruck, in Farbgebung und Motivik so schwer mit europäischer Ästhetik vereinbar ist. Als primitiv wird empfunden, was Ergebnis komplizierter Herstellungs- und Verzierungstechniken ist. In Amanuban ist die Produktion der Tracht noch immer eine Angelegenheit der Frau. Als Alltagskleidung dienen abgetragene Trachtbestandteile oder im Laden gekaufte, importierte und maschinell hergestellte Kleidung. Die Frauen erledigen auch alle anderen mit der Textilproduktion verbundenen Arbeiten: Materialgewinnung, Materialvorbereitung und Materialverarbeitung. Eine Ausnahme bilden einzelne Transvestiten, homophile Männer, die das Leben der Frauen führen. Generell ist der Mann aber aus dem gesamten Bereich der Textilproduktion ausgeschlossen. Die Herstellung der einzelnen Bestandteile der Tracht ist durch ihre zeitraubende Herstellung aufgrund komplizierter Verzierungstechniken geprägt, für die auch nur in der Trockenzeit, wenn die landwirtschaftlichen Tätigkeiten ruhen, Gelegenheit besteht. Die Tracht, die heute in Amanuban getragen wird, besteht aus Elementen der formellen Kleidung des Adels im vorindonesischen Amanuban sowie westlichen Einflüssen. Mit der indonesischen Unabhängigkeit verlor die herrschende Klasse der Atoin Meto ihre Macht, und die ehemals rigide Kleiderordnung löste sich auf.

Napoleon Fa`ot ist nicht zu Hause, und seine Frau, die Kato mnasi, will mich nicht empfangen. Obwohl ich dieses Mal angemeldet bin, ist er wieder nicht da. Der indonesische Unabhängigkeitstag steht bevor und Usif Fa'ot, heißt es, sei sehr beschäftigt. Aber in zwei Stunden, verspricht mir seine Frau, sei er zurück. Die Die ehrwürdige Adelige, so muss Kato mnasi übersetzt werden, spricht kein Indonesisch und mein Uab Meto reicht gerade für die Höflichkeitsfloskeln und ein oberflächliches Geplauder. Sie ist die Grande Dame des Sonaf. Das merke ich sofort. Distinguiert. Höfliche Zurückhaltung. Sie trägt den bunt gemusterten Lipa, in braun und gelb, darüber eine Kebaya, mit grün-silberner Rautenmusterung. Das volle graue Haar ist zu einem Knoten auf ihrem Hinterkopf hochgesteckt, den sie mit einem Bleistift fixiert hat. Das reicht ihr für den Alltag. Schweigend warten wir im Schatten eines riesigen Lopo auf ihren Mann; Gäste überlässt man nicht sich selbst, auch wenn es nichts zu besprechen gibt. Später kommt ihre Tochter hinzu, serviert Tee und erzählt von ihrer Schule. Der Lopo ist alt. Ein Denkmal auf einem über ein Meter hohen Steinsockel aus aufgeschichteten Bruchsteinen. Der Sockel ist mit festgestampfter Erde gefüllt. Reiche Hakenmusterung verziert die Unterseite des Speicherbodens; aufgemalt und in das Holz geschnitzt. Einen Lopo dieser Größe habe ich in Amanuban bisher noch nicht gesehen. Stunden später trifft Usif Fa`ot ein. Er kommt im Galopp auf einem der kleinen, zähen Timorponies in den Hof geritten. Eine Junge läuft zu ihm hinüber, und nimmt sein Pferd am Zügel. Gemessenen Schritts kommt er zu uns unter das ausladende Dach seines Lopos, wechselt ein paar Worte mit seiner Frau, die sich lächelnd zurückzieht. Zur Begrüßung holt er ein paar Arekanüsse und die langen, hellgrünen Früchte des Betelstrauchs aus seiner Aluk. Der gemeinsame Betelkonsum ersetzt das Händeschütteln, hat mir einmal jemand gesagt, dauert aber sehr viel länger.
Fa`ot ist ein kleiner, drahtiger Mann. Um die Sechzig. Schmale Statur. Muskulös. Das Haar schütter, einen Westernhut lässig in den Nacken geschoben. Um die Hüften hat er sich den obligatorischen Mau mit Amanubanmotiven geschlungen. Dazu ein weißes Hemd, am Kragen offen sowie ein mausgraues Jackett westlicher Provenienz. Mit christlichem Taufnamen heißt Fa`ot Napoleon. Eine gute Wahl. Der Kontakt zu ihm ist leicht geknüpft, schnell und unproblematisch. So etwas wie Sympathie, und die Überlegenheit des Älteren, des Wissenden, der sich vor mir präsentieren kann. Eine Rolle, die ihm gefällt. Keine Sprachprobleme, da er sich weigert, mit mir Uab Meto zu sprechen. Das sei ihm zu lästig. Fertig.
Die Bewohner des Sonaf nennen Napoleon Fa`ot Usi oder Usi mnasi. Er selbst nennt sich Meo oder Usif Nope. Er darf sich so nennen, weil sein Klan als illegitimer Sohn Nopes gilt, gegründet von einem unehelichen Sohn eines Nope, der keinen Anspruch auf die Thronfolge hat. Nope heißt der ehemalige Raja von Amanuban, der seine Macht verlor, als Westtimor, und damit Amanuban, nach dem Zweiten Weltkrieg indonesisch wurde. Nope ist Napoleon Fa`ots Ehrenname, sei Akun. Als Inhaber des Titel eines der Großen Krieger-Kopfjäger war sein Klan einst prominent. Er war der Wächter des Westens, in Tetaf, an einem der Tore Banams. Als solcher war er einer der politischen Exekutivorgane, ein Ama naek, ein schützender Vater für seine Untertanen und des Reichs von Banam. Er war auch einer der vier O`of der Nope-Herrscher, sein Viehkraal, aus dem der jeweilige Herrscher Banams seine Frauen bezog. Als einer der Frauengeber für die herrschende Dynastie war Fa`ot einer der mächtigen und einflussreichen Klans in Westamanuban. Als O`of, oder Lop Naek, der Große Getreidespeicher von Banam, stand er zusammen mit Asabanu, Boimau und Nitbani in einer ökonomisch, politisch und rituell reziproken Beziehung zur herrschenden Nope-Dynastie. Andere nennen Fa`ot einen Meo. Das Einflussgebiet seines Klans reichte einst von Niki Niki bis nach Soë. Von Zentralamanuban bis nach Westamanuban. Weiter westlich, von Soë bis an den Noel Mina, schützte der Klan Selan, gemeinsam mit Talan, Taho und Saes das Land Banam. Ein Klan, mehrere Titel, verschiedene Ämter, je nach Perspektive, Beziehung oder Verpflichtung. Die Rivalität, die diese Beziehungen prägte, führte zu den häufigen Fehden, die Amanubans Vergangenheit prägten. Die Kato mnasi sitzt schweigend auf dem Rand des Lopo. Ich weiß nicht, ob siezuhört oder döst.

Selbst Nachkomme von Kopfjägern, kennt Napoleon Fa`ot die Tracht des Meo genau, wie sie einst war. Er erzählt überzeugend, inszeniert sich als kompetenter Informant, was ich ihm glaube, denn das meiste, dass er berichtet, bestätigen später andere Gesprächspartner. Er kennt die Besonderheiten und Einzelheiten der Tracht seiner Kultur. Auch sein Alter und seine Zugehörigkeit zum Adel sprechen für ihn. Auf dem Speicherboden seines Lopo, sagt er, bewahre er das Ornat des Meo auf, wie es seine Väter trugen, als sie im Dienst Nopes in den Krieg zogen. Ohne ein Ritual, um die Textilien abzukühlen, kann er sie nicht herunterholen. Trotz meiner Versuche, ihn zu überzeugen, die einmalige Gelegenheit zu nutzen, und das Ornat für die Zukunft zu bewahren, bleibt er konsequent. Beschreiben ja! Fotografieren nein! Dies sei gefährlicher Boden, kein Spaß! Sein letztes Wort.
Zum Ornat des Krieger-Kopfjägers gehörte der über beide Schultern getragene Mau Naek, dessen Enden frei über den Rücken hängen. Diese Weise einen Mau zu tragen, nennt man kalaba. Sie ist allein dem Meo vorbehalten, den man sofort daran erkennt, wie er seinen Mau trug. Sonst war der Oberkörper des Meo unbekleidet; der Mau Naek lag auf seiner nackten Haut. Einen zweiten Mau Naek, der ihm nur bis an die Knie reicht, um seine Beweglichkeit nicht einzuschränken, trug der Meo um die Hüften geschlungen. An den Armen silberne Bänder, die Buk Haif, an die Pferde- oder Ziegenhaar appliziert war. Um die Fußgelenke die Pon Tuf, dünne Lederstreifen mit Resten des Tierfells, die borstig über die Knöchel bis zum Boden hingen. Manche behaupten sogar, es habe sich bei diesen Arm- und Fußbändern um Menschenhaut gehandelt, was Fa`ot auffällig heftig dementiert. Die Bänder seien schon immer aus flach geklopftem Silber hergestellt worden sagt er, und wechselt schnell das Thema.
Die Motive der Tracht, erzählt er, waren für die einzelnen sozialen Schichten unterschiedlich. Besonders die Verwendung der elaborierten Ikatmotive war exklusiv dem Adel oder, in Ausnahmen, bedeutenden politischen Funktionsträgern vorbehalten. Die Kleidung des Usif und des Adels waren ausschließlich ikatgemustert. Die Gewebe waren flächendeckend mit den Fut pua-Motiven verziert, die in Amanuban mittlerweile die Textilien dominierenden. Fut Pua sind schmale, farbige Streifenanordnungen, für die Tracht des Adels undenkbar. Früher war der bekleidete Oberkörper das Privileg des Usif und des Adels, der zu den beiden übereinanderliegenden Mau Naek ein Fanu genanntes Hemd trug. Der Piul Muti, ein weißer Gürtel aus Baumwolle, mit dem der Mau, das große Umschlagtuch, auf der Hüfte gehalten wurden, war ebenfalls ein Privileg des Usif. Seine Aluk, die kleine Umhängetasche für den persönlichen Bedarf des Mannes, hing dem Adeligen lose über der Schulter. Verziert war sie mit farbigen Buna-Motiven. Die charakteristischen Motive, die der Adel bevorzugte, waren der filigrane Kai Mnutu, der Kai maneuk und die Fut-Kauna-Variationen des Besimnasi-Motivs, der Fut Atoni und die Fut-Kolo-Variation, das Manu- oder Teme-Motiv. Ob die Schicht der Amaf Naek den Fut pua verwenden durfte, daran erinnert sich Napokeon Fa`ot nicht. Er glaubt aber, dass der Kaif naek und der Kai fetin für sie reserviert waren.
Die Tracht der Bevölkerung hieß Hoto. Wie der Adel trugen auch ihre Untertanen zwei Mau Naek auf der Hüfte. In ihrer Musterung unterschieden sich diese Hüfttücher jedoch erheblich. Die Kleidung der Bevölkerung, Mau oder Tais, war mit weißen, schwarzen und rotbraunen Streifen gemustert. Ikatgemusterte, schmale Bänder, die Tua sufa und Pua kebi, waren ihnen als alternierende Musterung zwischen Streifen gestattet. Die Anordnung und Farbkombination der Streifen in den Seitenbahnen eines Mau waren nicht spezifisch festgelegt. Sie richtete sich nach ästhetischen Gesichtspunkten und der Größe eines Gewebes. Futus und Buna waren Privileg des Adels und dem Volk bei Strafe verboten. Ein Verstoß gegen dieses Monopol wurde mit zehn Rupiah Silber und einem Wasserbüffel geahndet. Ihr nackter Oberkörper war Bestandteil der Tracht. Die Aluk der Untertanen war auf der Hüfte befestigt. Die Tasche war schwarz-weiß gestreift. Futus und Buna waren ihnen untersagt.

Die moderne Tracht Amanubans ist die Tracht des Adels der Vergangenheit. Seit 1945 gehören die Vorschriften und Vorrechte der textilen Musterung der Vergangenheit an. Nach dem Zweiten Weltkrieg, der Vertreibung der Niederländer und der Ankunft der indonesischen Verwaltung in Westtimor, verlor der Adel seine Macht und seine Privilegien; und damit auch die Möglichkeit, die Verzierungstechniken zu monopolisieren. Mit dieser Entwicklung verlor die Tracht zunehmend ihre differenzierende Funktion, sodass nur noch Fragmente übrigblieben. Schichtzugehörigkeit ist heutzutage nicht mehr an die Tracht gebunden. Die Verzierungstechniken, und erst recht die Musterung, stehent der Allgemeinheit offen. Aus der Perspektive der einst vorgeschriebenen Ikonographie der Tracht betrachtet, kleidet sich in Amanuban heute jeder wie ein Adeliger. Die einstigen Motive des Adels finden sich heute besonders in den Mittelbahnen der Textilien, während die gestreiften Seitenbahnen an sie ehemalige Tracht des einfachen Volks erinnern.
Ob es jemals eine ikonographische Differenzierung gegeben hat, die die einzelnen Klangruppen unterschied, darauf will sich Fa`ot nicht festlegen. Reist man durch Westtimor, dann ist die territoriale Herkunft des Trägers der Tracht deutlich auszumachen. Ob der Täger aus Amanuban, Molo, Amanatun oder einem der anderer Territorien stammt, lässt sich unzweifelhaft von der Musterung seiner Kleidung ablesen. Die Farbgebung, die Verzierungstechniken sowie die Motive sind unterschiedlich variiert, obwohl sie sich auf ein gemeinsames Repertoire beziehen. In der feudalen Vergangenheit war die Tracht schichtspezifisch und territorial konzipiert. Schichtzugehörigkeit dekodierte die Motive und deren Anordnung, die spezifische Art, die Tracht zu tragen sowie die unterschiedliche Kombination der Kleidung. Heute scheint sie nur noch territorial informativ zu sein. Territoriale Zugehörigkeit zu den Territorien Amanuban, Amanatun und Molo dekodiert ein unterschiedliches Textil-Design, das nicht länger konsensualisierter Kleidercode ist, sowie die unterschiedliche Art wie weit der Mau Naek die Wade des Mannes bedeckt.

Inzwischen produzieren die Weberinnen in Amanuban für ihren eigenen Bedarf hauptsächlich drei unterschiedliche Arten verzierter Kleidung, die sie als ein überliefertes Repertoire betrachten: den großen und längsrechteckigen Mau Naek, die Kleidung des Mannes, den röhrenförmigen Tais, den Rock der Frau sowie einen schmalen, Mau Ana genannten Schal, dessen Auftreten in Timor auf westindonesische beziehungsweise javanische Einflüsse zurückgeht. Die für diese Kleidung verwendete Musterung wird in Ikat (futus), ausgeführt. Lotis, eine Kettentechnik zur Verzierung von Geweben, erfreut sich im städtischen Milieu immer größerer Beliebtheit, da sie klarer konturiert ist, als der unscharf wirkende Ikat. Außerdem bedarf sie nicht der hohen handwerklichen Geschicklichkeit der Weberinnen. Buna, broschierte Mustereinträge, spielen als zusätzliche Verzierungstechniken besonders auf ikatgemusterter Kleidung eine sekundäre Rolle. Die abweichend verzierten, grob wirkenden Textilien des Ornats eines Krieger-Kopfjägers werden heute nicht mehr hergestellt; auch nicht mehr getragen, obwohl sich als Hinterlassenschaften der Ahnen in Ehren gehalten, aber ungern gezeigt werden. Ihre Besitzer fürchten den sozial schädigenden Ruf des Heidentums. Saeb, die zur Herstellung der Musterung des Meo-Ornats genutzte Technik des umschlingenden Wickelns der Kettfäden, beherrschen nur noch wenige Frauen.
In den Städten, besonders in den ländlichen Siedlungen, auf Märkten, in der Kirche und während der Feste und Rituale, bestimmen Mau, Tais und Mau Ana die Kleiderordnung. Allerdings lässt sich außerhalb formeller Situationen ein Bekleidungs-Synkretismus beobachten. Für urban lebende Atoin Meto gelten teilweise andere Kleiderregeln, als für die Landbevölkerung. Häufig wird die in den Haushalten gewebte Kleidung mit Textilien westlicher Provenienz kombiniert getragen. Die alltägliche Kleidung des Mannes, besonders in den ländlichen Regionen, besteht aus dem um die Hüften gewickelten Mau Naek. Ein einfarbiges, viel beliebter allerdings bedrucktes T-Shirt, oder ein farbiges, gemustertes Hemd mit kurzem Arm, kompletiert seine Bekleidung. Den Kopf schmückt und schützt der unvermeidliche, ebenfalls westliche Hut mit beliebig breiter Krempe. Die Haare sind entsprechend westlicher Manier kurz geschnitten. Der früher obligatorische Buit, der Haarknoten auf dem Hinterhaupt des Mannes, ist mittlerweile völlig verschwunden. Nur in dem für westliche Touristen hergerichteten Dorf Boti in Ostamanuban sorgt Usif Benu für bare Münze dafür, dass die traditionelle Haartracht des Mannes den Wandel überlebt.
Die Frau trägt im Alltag den pan-indonesischen Sarung, maschinell produziert und in seiner Farbigkeit kaum zu übertreffen, der in Amanuban Lipa genannt wird, dazu ein T-Shirt oder eine nicht mehr neue Kebaya, wie sie ebenfalls im gesamten Archipel üblich ist; langärmelig, über der Brust mit einem breiten Steg und zwei Knöpfen geschlossen, der Bauchnabel und Dekolltée freilässt. Ihre langen, von Kokosöl glänzenden Haare sind im Nacken zu einem Knoten geschlungen, entweder verknotet oder mit dem traditionellen Soit, einem dreizinkigen Kamm fixiert. Im Alltag reicht dazu eine einfache Haarnadel, die oft durch einen Kugelschreiber ersetzt wird.
Schuhwerk zu tragen, ist für beide Geschlechter unüblich. Man geht barfuß oder trägt die heute überall verbreiteten Plastiksandalen.
Anders als im Alltag gelten für alle formellen Situationen, ob Markt, Fest, Ritual und Kirchenbesuch, verbindliche Kleidernormen: das Tragen von Tracht. Die vorgeschriebene, vollständige Tracht des Mannes besteht dann aus den folgenden Elementen:

  • aus dem um die Stirn gebundenen Kopftuch, dem Piul Naka, ein quadratisches, auf dem Markt gekauftes Batiktuch, das so gefaltet wird, dass an den Schläfen oder am Hinterkopf ein hornartiger Zipfel nach oben zeigt.
  • dem Fanu genannten weißen Hemd mit kurzem Arm sowie
  • zwei übereinander getragenen Mau Naek: dem Unterkleid, Mau Pinaf, das idealiter in Amanuban bis weit über die Wade reicht, in Molo unter dem Knie und in Amanatun über dem Knie endet sowie dem Oberkleid, Mau Fafof, das doppelt oder mehrfach gefaltet um die Hüfte gelegt wird, sodass der obere Teil des Mau Pinaf bedeckt ist. Auf den Hüften wird der Mau Pinaf mit mehreren, übereinander gebundenen Gürteln, den Pilu, befestigt, gewebte, handbreite Schals, die nur an ihren unteren Enden gemustert sind. Allerdings soll der unterste Gürtel, der Piul Muti, weiß und unverziert sein.
  • Darüber mindestens noch einen, meistens jedoch zwei oder drei Piul Saluf, die in mehrere, saeb-verzierte, einen Zentimeter breite Fransen auslaufen, sodass die beiden Gürtelenden wie eingerissen wirken. Mit diesem Verzierungselement kommt die Tracht des Mannes dem ehemaligen Meo-Ornat noch am nächsten. Über einer Schulter trägt der Mann seine Aluk, eine kleine Umhängetasche für Betel und Dinge des persönlichen Bedarfs.

Die Tracht der Frau besteht aus der pan-indonesischen Bluse (kebaya) sowie aus dem röhrenförmigen Sarong (tais), der fast bis hinunter auf die Füße reicht. Über diesem gewickelten Rock trägt die Frau einen neuen, kaum getragenen Lipa, der ihr selbstgewebtes Kleidungsstück soweit bedeckt, dass nur noch dessen unterer Saum sichtbar ist. Lose über eine Schulter gehängt, oder als Schärpe über der Hüfte mit einer Sicherheitsnadel befestigt, hält ein schmaler Mau ana ihren Rock. Silberne Armreifen und Gürtel mit Münzen dekoriert (fut noni), orangefarbene Inuh-Ketten, Ringe (kleni) und Ohrgehänge (falo) sowie der oft silberbesetzte Kamm (so`it), der im Haarknoten oder über der Stirn in das Haar gesteckt wird, bilden den üblichen Schmuck. Schuhwerk war in der Vergangenheit für beide Geschlechter unüblich, doch trägt man heute, besonders im städtischen Milieu die unvermeidlichen Plastiksandalen (ind. sandal jepit).
Mehrere, an beiden Unterarmen getragene Armbänder (>niti) aus Silber oder Messing runden die Tracht von Mann und Frau ab. Arm-, Bein- und Brusttätowierungen sieht man nur noch bei sehr alten Menschen.
In den Städten sind, je nach Zugehörigkeit zu einer sozialen Schicht, gesellschaftlichen Position oder formellen Situation, die gerade für die ländliche Bevölkerung beschriebene Kleidung oder alle daraus möglichen Kombinationen üblich. Moderne Städter tragen heute Hose, dazu ein Hemd oder ein T-Shirt bzw. Rock und Bluse, vor allem dann, wenn es sich um Beamte oder Lehrer handelt oder wenn sie sich, besonders in jungen Jahren, westlichen Einflüssen öffnen. Aus ikatverzierten, geschneiderten Stoffen hergestellte, kurzärmelige Jacketts dienen im Beamtenmilieu, ähnlich wie das Batikhemd in Java, als sozial differenzierende Uniform. Europäische Jacketts, die zusammen mit weißem Hemd und einem Mau Naek getragen werden, erfreuen sich heute bei allen Männern, gleichgültig ob sie urban oder ländlich wohnen, in formellen Situationen großer Beliebtheit.

Im Alltag tragen meistens nur noch Männer die selbsthergestellten, verzierten Textilien, während die Frau, die geschickte und kenntnisreiche Produzentin dieser Textilien es bevorzugt, sich in den indonesischen Sarung zu hüllen. Nur während formeller Situationen schlüpft auch sie in einen Tais. Im Alltag ist es für den außerhalb von Haushalt und Weiler seinen Aufgaben nachgehenden Mann von weitaus größerer Bedeutung auf speziell gemusterte Textilien zurückgreifen zu können, weil sie noch immer seine territoriale Zugehörigkeit auszudrücken, und ihn in eine soziale Umgebung verorten. Die unterschiedliche Tragart sowie die unterschiedliche Farbpräferenz, besitzt noch immer die Funktion eines ethnischen Markers, eines Labels mit Wiedererkennungswert, das je nach Kontext eine interne als auch eine externe, territoriale, soziale oder politische Differenzierung ermöglicht.
Die Tracht der Atoin Meto, und insbesonder ihre Musterung, umgibt eine geheimnisvolle Aura, dunkle Flecken semantischer Tiefe, die mit der Darstellung ihrer funktionalen Dimension nicht beantwortet wird. Inzwischen ist es mir gelungen, die verwirrende Vielfalt der Motive auf einige grundegende Phänomene zurückführen. Doch damit ist die Suche ncht beendet. Ich frage mich noch immer, ob die Motive im Besitz der Weberinnen sind, ob und wie sie dann vererbt werden. Interessant ist auch die Frage, ob die Motive entlang der Heiratsregeln wandern, ob die Motive, die der Mann auf seinem Mau zeigt, diejenigen sind, die eine einheiratende Frau mit in die Ehe bringt, oder ob diese dem patrilinearen Klan gehören. Erst wenn diese Fragen beantwortet sind, lässt sich etwas Genaueres über eine klanspezifische Differenzierung mit textilen Verzierungstechniken aussagen.

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