Montag, 17. Februar 2020

Das Eigene und das Fremde


Die Atoin Meto verwenden zwei Begriffe, die dazu dienen, die Erfahrungen in und mit ihrer Umgebung in Vertrautes, Einheimisches, schon immer Gewesenes und Bekanntes sowie neu Erworbenes, Fremdes und Unbekanntes zu ordnen:

meto
  • indigen; trocken (der Klima- und Landschaftstyp Amanubans)
  • die überlieferte, durch die Adat (lasi) legitimierte Kategorie
  • die für die Atoin Meto wesentlichen meto-Sachen und meto-Angelegenheiten sind durch Rituale, die mit ihrem Gebrauch zusammenhängen, markiert
    meto-Sachen und meto-Angelegenheiten sind keine Marktware
kase
  • fremd; von außen; importiert
  • kase-Sachen und kase-Angelegenheiten erwarben die Atoin Meto im Verlauf ihrer Geschichte durch Kontakte mit mehreren östlichen und westlichen Kulturen
  • kase-Sachen und kase-Angelegenheiten werden integriert und ihr Gebrauch ist verbreitet; sie zeichnen sich dadurch aus, frei verwendbar zu sein; ihre Verwendung wird durch keine Rituale reglementiert
  • kase-Sachen werden auf den Märkten gehandelt und verkauft

Pen meto und Pen kase

Die Grundnahrungsmittel der Atoin Meto - Mais (pena) und Reis (ane) - demonstrieren beispielhaft dieses Klassifikationssystem. Es ist eine interessanter Sachverhalt, dass die Atoin Meto ihre meto-Nahrung idealisieren; während sie gleichzeitig von deren kase-Varianten leben.
Pena oder pen mate ist der Maiskolben am Halm. Wenn er pen pao heißt, ist er bereits geerntet und zum Kochen vorbereitet. Gegessen wird der Mais mit kleinen, braunen Bohnen vermischt. Dann heißt er bose. Die Maissorte, die die Atoin Meto seit altersher anbauen, heißt Pen meto. Im Gegensatz zum pen kase, der in die Hausgärten gepflanzt wird, wächst pen meto in den Feldgärten außerhalb der Siedlung. Die Reifezeit dieser Maissorte beträgt vier bis fünf Monate und bringt, im Vergleich zum pen kase, einen höheren Ernteertrag; durchschnittlich gewinnt der Pflanzer von vier Maiskolben ein Kilogramm Maiskörner. Sind die Anbauflächen der Feldgärten, der Len meto, vor der Aussaat abgebrannt, so reicht die zurückbleibende Pflanzenasche als einziger Dünger. Eine weitere Düngung ist nicht mehr erforderlich.
Die Ernte des pen meto ist von Ritualen umgeben. Fua naek telen, sagen die Atoin Meto: Das große (Mais-)Korn ist angekommen! Fua naek ist eine Parallelbezeichung des Maiskolbens.

Pen kase nennen die Atoin Meto die Maissorte, den sie seit Mitte der 70er in ihren Hausgärten (lene) anbauen, die sie um ihre Wohnhäuser herum anlegen. Die Reifezeit dieser Maissorte beträgt durchschnittlich zwei Monate, kann viel früher geerntet werden. Schnelle Ernten sind in Amanuban wichtig, da die Ankunft des Monsoons mit seinem Regen und die dadurch unterschiedlich lange Trockenzeit nur unzuverlässig vorausgesagt werden kann. Aufgrund des gleichen Phänomens ermöglicht es die schnelle Ernte des fremden Saatguts Nahrungsengpässe am Ende der Trockenzeit zu überbrücken.
Allerdings hat Pen kase viel kleinere Kolben als Pen meto mit vergleichsweise kleineren Körnern. Um ein Kilogramm Körner zu gewinnen, werden zwanzig Maiskolben und mehr benötigt. Und: Die Pflanze ist abhängig davon, künstlich gedüngt zu werden.
Pen kase wird in Amanuban besonders von der indonesischen Regierung propagiert, um die periodische Nahrunsmittelkappheit der Monate Januar bis April zu kompensieren. Da Pen kase die rituallose Maissorte ist, verschmäht der erwachsene Atoin Meto sie. Sie warten, bis die Ernte des Pen meto eingebracht ist. Pen kase ist der Mais, den Kinder und Halbwüchsige essen, und der auf den Märkten der Städte verkauft wird.
In einem guten Erntejahr (ton makuke) wird Pen kase schon ab Anfang Februar auf den Märkten Amanuban angeboten.

Aen meto und Aen kase

Padi heißt der Reis am Halm. Heißt er Mnes, ist er bereits enthülst und zum Kochen vorbereitet. Ist er gekocht ist, nennt man ihn Maka.
Aen meto ist der im Monat Dezember in den Hausgärten angebaute Trockenreis, der unmittelbar nach der Maisernte - im April und Mai - aus den Gärten geholt wird. Früher, so heißt es, aßen die Atoin Meto nur diesen Reis. Nassreis stellt eine Innovation dar. Effektive Sawah-Pflanzungen, wie in Westindonesien, ist der langen Trockenzeit wegen in Westtimor nur in einigen Flussmündungen möglich.
Nach der Ernte werden die Reisähren in die Weiler (kuan) gebracht, wo die Körner aus den Hülsen gedrescht und zu großen Hügeln gehäufelt werden. Sechs Frauen sitzen im Kreis um den aufgehäuften Reis herum, jede mit einer Worfenschale (tupa). Im Kreis der Frauen und auf dem Reishügel saß früher eine alte Frau mit gespreizten Beinen, eine Geburt simulierend. Die Reiskörner wurden von der alten Frau in einen großen, aus Bambus geflochtenem Korb mit enger Halsöffnung (poni) gefüllt.
Die Parallelbezeichnung für Aen meto lautet Fua ana, wegen der im Vergleich zu den Maiskörnern kleineren Körner.
Aen kase, der Nassreis, wurde erst spät in Westtimor eingeführt und in Sawah-Wirtschaft gepflanzt, weshalb man ihn auch Aen oek nennt (oe, Wasser). Die bevorzugten Regionen für den Nassreis ist die Umgebung von Kupang, das östliche Ufer des Noel Mina sowie die ausgedehnte Benain-Ebene im Sürzentraltimor. Die Kultivierung dieser Reissorte ermöglicht heute die Selbstversorgung der Stadtbevölkerung Westtimors.
Andere Nutzpflanzen liegen im modernen Amanuban ebenfalls in zwei konkurrierenden Sorten vor:

  • Baumwolle (abas) - ab meto und ab kase;
  • Indigo (taum) - taum meto und taum kase;
  • Kalk (ao) - ao meto und ao kase.

Diese grundlegende Klassifikation betrifft nicht nur die Landwirtschaft. allerdings lässt sich diese strikt differenzierende Benennung gut an den Grundnahrungsmitteln demonstrieren. Eine nur scheinbar antagonistische, in Wirklichkeit aber polare Beziehung der Ergänzung und Entsprechung, garantiert die Homöostase zweier Kategorien, die sich letztlich auf die basalen Paare weiblich-männlich, innen-außen und kühl-heiß reduzieren lassen. Oder in sozialen Kategorien ausgedrückt: WIR, ich und die Meinen, DIE ANDEREN und die Ihren.
Das Eigene vom Fremden unterscheiden können ist zentral in der Kultur der Atoin Meto. Schließlich muss man wissen, wer man ist! Das Bewusstsein von der eigenen Zugehörigkeit, der ethnischen Identität, verleiht Orientierung und Sicherheit. Die Kultur der Atoin Meto ist eine nach innen gerichtete, zentripetale Gesellschaft. Eine andere Perspektive wäre möglich gewesen: Beispielsweise die ethnische Eigenbezeichung, die die Mitglieder dieser Kultur sich und den Fremden gegeben haben: Atoin Meto oder wie Clarke Cunningham sie genannt hat, Atoni Pah Meto, die Menschen des trockenen Landes. Die schmückenden Epitheta Atoni und Pah Meto sind überflüssig. Meto heißen sie, weil sie die Einheimischen sind. Zu betonen, dass sie Menschen sind, empfinden sie als redundant.
Atoin Kase, allerdings ungebräuchlich, sind dann die anderen. Aber auch Kase reicht, mit abwertendem Unterton geäußert. Kase ist grundsätzlich alles, was aus Richtung Kupang kam und kommt, da dort die Engländer ihr Fort hatten, die Niederländer später ihre Militär- und Handelsniederlassungen im Ostindienhandel. Die in den Überlieferungen der Atoin Meto prominentesten Fremden werden in den Texten der mündlichen Dichtungen (tonis) metaphorisch Beul fui genannt, die wilden Freunde, in dem Bewusstsein, dass sie der eigenen Kultur, obwohl sie ihr nicht angehörten, näher standen, als die Beul kase, die fremden Freunde, die Portugiesen, Engländer und Niederländer, die aus einer anderen Welt nach Timor kamen. Die bekanntesten vonn ihnen sind die legendären, politisch einflussreichen Kase mnetan, die schwarzen Fremden, Nachkommen gemischter Ehen zwischen Atoin Meto und portugiesischen Besatzern im modernen Nordzentraltimor, mit denen die Atoin Meto periodisch durch Krieg oder Handel kommunizierten.

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