Samstag, 14. März 2020

Textilmanufaktur Mellu


Ich kam nach Amanuban, um die Bedeutung der Ikonographie der Tracht der Atoin Meto zu verstehen. Es muss Ende der 1970er Jahre gewesen sein, ich befand mich mitten in meinem Studium der Völkerkunde an der Albertus-Magnus-Universität zu Köln. Waldemar Stöhr war damals Kurator am Rautenstrauch-Joest-Museum und mit Ostindonesien befasst. Von ihm stammt die spannende Studie über die altindonesischen Kulturen, die mich beeindruckt und beeinflusst hat. Und auch die Ausstellung über diese Kulturen war sein Werk, ganz oben, fast verstaubt, unter dem Dach des Museums untergebracht. Ich war damals noch naiv und unerfahren, glaubte, ein Studium der Völkerkunde habe mit Abenteuern in fremden Ländern zu tun, dachte wahrscheinlich an Reisende, Forscher und Entdecker, an eine Mischung aus 1001 und eine Nacht, an Fenimore Cooper, F. Gerstecker oder Karl May in Personalunion. Das war am Anfang dieser Disziplin nicht viel gewesen, in 18., 19. und frühen 20. Jahrhundert. Ende des 20. Jahrhunderts hatten die dürren Fakten über die Inspiration gesiegt. Das Fiktive, Imaginäre, Visionäre und Mysteriöse, da weder wirtschaftlich noch politisch verwertbar, führte in der Ethnologie nur noch ein Schattendasein. Lediglich seinen Unterhaltungswert leugnete man nicht.

Montag, 17. Februar 2020

Das Eigene und das Fremde


Die Atoin Meto verwenden zwei Begriffe, die dazu dienen, die Erfahrungen in und mit ihrer Umgebung in Vertrautes, Einheimisches, schon immer Gewesenes und Bekanntes sowie neu Erworbenes, Fremdes und Unbekanntes zu ordnen:

Dienstag, 28. Januar 2020

Endlich in Amanuban


Im Zweilicht der kurzen Dämmerung der Tropen hält ein großer Überlandbus aus Kupang in Oebesa. Die vierstündige Fahrt von Kupang herauf war anstrengend, der Bus bis auf den letzten Platz besetzt. Im Gang waren die Notsitze ausgeklappt, Säcke, Taschen und an den Beinen gefesseltes Geflügel verstopfte die letzten freien Stellen. Unter die linke vordere Sitzbank hatte jemand mitleidlos ein Schwein geklemmt, dessen ängstliches Grunzen schwer zu ertragen war. Auf dem Dach des Busses sah es nicht viel besser aus. Die meisten Fenster fehlten, die übriggebliebenen und die beiden Türen standen offen. Ich saß fröstelnd im Fahrtwind, das Hemd noch feucht von der schwülen Luft der Ebene, die auch Nachts anhielt. Erst als der Bus an Höhe gewann, wurde es kühler. Den einheimischen Passagieren ging es nicht besser. Sie hüllten sich in ihre farbenprächtigen Tücher und blickten stoisch in die Nacht. An der hinteren Tür hatte es sich der Schaffner bequem gemacht, ein junger Mann, der in jedem Ort aus der Tür hing, und den Passanten die Fahrtroute zurief.

Montag, 13. Januar 2020

Ein Greenhorn in Amarasi


Für meinen ersten Ausflug aus dem Schutz der Stadt wähle ich Baun, eine Ortschaft im Regierungsbezirk Kupang; Landkreis Westamarasi. Dieses Mal will ich es allein versuchen, auf dem Land, mich von jeglicher Bevormundung durch Nachbarn oder Behörden befreien. Keine Empfehlung mehr, nicht mehr an die Hand genommen werden von Gutmenschen, die glauben, besser zu wissen, wonach ich suche, als ich selbst. Meine Versuche, eine Basis für meine Forschung zu finden, waren bisher enttäuschend. Es fällt mir noch immer schwer, mich für eine Region, eine bestimmte Ortschaft, zu entscheiden. Forschende, die sich von einer örtlichen Institution den Weg weisen lassen, haben es einfacher. Mir war es wichtig, nicht als Repräsentant von Irgendwem zu erscheinen. Trotz allem stellte es sich als sehr schwierig heraus, diese Rolle schließlich los loszuwerden.

Donnerstag, 26. Dezember 2019

Weihnacht


Es ist Heiligabend. Für indonesische Verhältnisse kommt Mikhael Ruron pünktlich mit seiner Familie ins Hotel, um uns abzuholen. Wir sind inzwischen seit fast einen Monat in Kupang. Vor zwei Wochen habe ich ihn während einem meiner Behördengänge kennengelernt, wo er als Jurist beschäftigt ist. Er stammt aus Lamaholot in Ostflores, und arbeitet seit zwei Jahren für die Provinzregierung von Nusa Tenggara Timur als Sachbearbeiter. Seit sechs Monaten ist er im Direkturat Sosial Politk angestellt, dem Innenministerium. Seine Stelle als Sachbearbeiter im DIR SOS POL interessiert ihn nicht. Sie sei nur untuk hidup, um zu leben. Er hat in Semarang studiert, dort seinen Sarjana Hukum gemacht. Nach dem Studium blieb er lange arbeitslos. Wie so viele. Die meisten Beamten in den indonesischen Behörden sind hochqualifiziert ausgebildet und schlecht bezahlt. Oft nicht entsprechend ihrer Ausbildung und Begabung beschäftigt.

Dienstag, 3. September 2019

In Kupang


Denpasar, Bali. Der Flughafen heiß I Gusti Ngurah Rai, nach dem Nationalhelden Ngurah Rai. Der Name des Flughafens erinnert an einen adeligen Befreiungskämpfer, einen Gusti, der den Niederländern die Stirn geboten hat. Noch war Timor nur eine Idee. Abflug von Denpasar nach Kupang. Gemischte Gefühle, die nächste Etappe meiner Forschungsreise ins Innere einer unkalkulierbaren Fremde. Eine Reise ins Ungewisse, von der meine balinesischen Freunde vermuteten, sie koste mich das Leben.

Samstag, 24. August 2019

Amanuban und ich


Es ist Jahrzehnte her. Immer häufiger tauchen Gedanken an jene Zeit wie flüchtige Schatten auf einer Leinwand auf. Wer inszeniert dieses Schattenspiel, entwirft die Figuren, schreibt das Skript? Auf ihrer Jenseitsreise bringen Helden an der Pforte zur Unterwelt Blutopfer dar, wenige Tropfen nur, aber sie reichen aus, ihre Rückkehr zu sichern. Was ist wichtig? Was kostet es mich, in meine Erinnerungen zu tauchen, um Vergangenes sichtbar zu machen? Zuerst sehe ich nur Fragmente meiner Jahre in Amanuban. Während des Schreibens füllen sich allmählich die Lücken. Einst Erlebtes wird zum konkreten Bild. Persönliche Mythen mischen sich mit realer Biographie. Zwischen die Zeilen gestreute Zeit. Inzwischen glaube ich selbst an meine eigenen Legenden, wie ein Kind, an die Möglichkeit ferner Welten. Die Seele ist ein weites Land, in das die Träume fliehen. Verstaubte Notizen in Tagebüchern und Zettelkästen fließen in die Seiten, wo sie sich im Licht der Wirklichkeit vermischen. Viele Jahre später.