Textilien, besonders, wenn es sich bei ihnen um eine Tracht handelt, machen Aussagen über kulturelle Vorstellungen und Überzeugungen, über allgemein geteilte Normen und Werte im Sinne eines Common sense. Die textile Ikonographie der Atoin Meto besitzt einen kulturellen Bezugsrahmen, denn es handelt sich bei den verwendeten Basismotiven nicht um Privatsymbole, sondern sie beziehen sich auf ihre ethnische Identität und fördern ethnisches Selbstverständnis und ethnische Selbstdarstellung Die Bedeutung ihres Motivrepertoires war einst allgemein verständlich, da es ihren Ort in den Ritualen des Lebenszyklus sowie den religiösen Überzeugungen hatte. Viel ist davon nicht übriggeblieben.
Freitag, 12. Juni 2020
Sonntag, 31. Mai 2020
Was textile Muster wissen
Das System der symbolischen Klassifikation der Atoin Meto Amanubans wirkt sich nicht nur in ihren
kognitiven Überzeugungen, sondern auch im Bereich der
materialisierten Kultur aus. Gerade ihre Tracht, die Ritualtextilien, zeigt deutlich, wie
eine bestimmte Flächengestaltung, eine spezielle Ornamentik und Farbpräferenz dazu verwendet werden kann, eine kulturspezische Weltanschauung in materiellen Objekten sichtbar zu machen, sie für die Gemeinschaft zu visualisieren, erinnerungsfähig und damit kommunikabel zugestalten.
Die charakterisierenden Merkmale der Ornamentik der Ritualtextilien der Atoin Meto beziehen sich auf drei interdependente Aspekte der Gewebe:
Donnerstag, 30. April 2020
Was einst der Adel trug, trägt heute jeder
In ihrem kulturellen Kontext betrachtet machen
Textilien, besonders als Kleidung oder Tracht, Aussagen über Einstellungen,
Werte und Überzeugungen ihrer Träger. In relativ geschlossenen Gesellschaften,
wie die der Atoin Meto Amanubans jenseits der Provinzstädte noch immer ist,
schafft symbolische Kommunikation nicht ohne weiteres neue Aussagen. Sie werden dann von den Rezipienten nicht mehr
verstanden werden und verlieren ihre expressive Funktion. Bedeutungssyteme einer Gesellschaft, die auch ihrer Ikonographie zugrunde liegen, können nicht von einem Individuum erzählt werden.
Samstag, 14. März 2020
Textilmanufaktur Mellu
Ich kam nach Amanuban, um die Bedeutung der Ikonographie der Tracht der Atoin Meto zu verstehen. Es muss Ende der 1970er Jahre gewesen sein, ich befand mich mitten in meinem Studium der Völkerkunde an der Albertus-Magnus-Universität zu Köln. Waldemar Stöhr war damals Kurator am Rautenstrauch-Joest-Museum und mit Ostindonesien befasst. Von ihm stammt die spannende Studie über die altindonesischen Kulturen, die mich beeindruckt und beeinflusst hat. Und auch die Ausstellung über diese Kulturen war sein Werk, ganz oben, fast verstaubt, unter dem Dach des Museums untergebracht. Ich war damals noch naiv und unerfahren, glaubte, ein Studium der Völkerkunde habe mit Abenteuern in fremden Ländern zu tun, dachte wahrscheinlich an Reisende, Forscher und Entdecker, an eine Mischung aus 1001 und eine Nacht, an Fenimore Cooper, F. Gerstecker oder Karl May in Personalunion. Das war am Anfang dieser Disziplin nicht viel gewesen, in 18., 19. und frühen 20. Jahrhundert. Ende des 20. Jahrhunderts hatten die dürren Fakten über die Inspiration gesiegt. Das Fiktive, Imaginäre, Visionäre und Mysteriöse, da weder wirtschaftlich noch politisch verwertbar, führte in der Ethnologie nur noch ein Schattendasein. Lediglich seinen Unterhaltungswert leugnete man nicht.
Montag, 17. Februar 2020
Das Eigene und das Fremde
Die Atoin Meto verwenden zwei Begriffe, die dazu dienen, die Erfahrungen in und mit ihrer Umgebung in Vertrautes, Einheimisches, schon immer Gewesenes und Bekanntes sowie neu Erworbenes, Fremdes und Unbekanntes zu ordnen:
Dienstag, 28. Januar 2020
Endlich in Amanuban
Im Zweilicht der kurzen Dämmerung der Tropen hält ein großer Überlandbus aus Kupang in Oebesa. Die vierstündige Fahrt von Kupang herauf war anstrengend, der Bus bis auf den letzten Platz besetzt. Im Gang waren die Notsitze ausgeklappt, Säcke, Taschen und an den Beinen gefesseltes Geflügel verstopfte die letzten freien Stellen. Unter die linke vordere Sitzbank hatte jemand mitleidlos ein Schwein geklemmt, dessen ängstliches Grunzen schwer zu ertragen war. Auf dem Dach des Busses sah es nicht viel besser aus. Die meisten Fenster fehlten, die übriggebliebenen und die beiden Türen standen offen. Ich saß fröstelnd im Fahrtwind, das Hemd noch feucht von der schwülen Luft der Ebene, die auch Nachts anhielt. Erst als der Bus an Höhe gewann, wurde es kühler. Den einheimischen Passagieren ging es nicht besser. Sie hüllten sich in ihre farbenprächtigen Tücher und blickten stoisch in die Nacht. An der hinteren Tür hatte es sich der Schaffner bequem gemacht, ein junger Mann, der in jedem Ort aus der Tür hing, und den Passanten die Fahrtroute zurief.
Montag, 13. Januar 2020
Ein Greenhorn in Amarasi
Für meinen ersten Ausflug aus dem Schutz der Stadt
wähle ich Baun, eine Ortschaft im Regierungsbezirk Kupang; Landkreis
Westamarasi. Dieses Mal will ich es allein versuchen, auf dem Land, mich von
jeglicher Bevormundung durch Nachbarn oder Behörden befreien. Keine Empfehlung
mehr, nicht mehr an die Hand genommen werden von Gutmenschen, die glauben,
besser zu wissen, wonach ich suche, als ich selbst. Meine Versuche, eine Basis
für meine Forschung zu finden, waren bisher enttäuschend. Es fällt mir noch immer schwer,
mich für eine Region, eine bestimmte Ortschaft, zu entscheiden. Forschende, die sich von einer örtlichen Institution den Weg weisen lassen, haben es einfacher. Mir war es wichtig, nicht als Repräsentant von Irgendwem zu erscheinen. Trotz allem stellte es sich als sehr schwierig heraus, diese Rolle schließlich los loszuwerden.