Sonntag, 31. Mai 2020

Was textile Muster wissen


Das System der symbolischen Klassifikation der Atoin Meto Amanubans wirkt sich nicht nur in ihren kognitiven Überzeugungen, sondern auch im Bereich der materialisierten Kultur aus. Gerade ihre Tracht, die Ritualtextilien, zeigt deutlich, wie eine bestimmte Flächengestaltung, eine spezielle Ornamentik und Farbpräferenz dazu verwendet werden kann, eine kulturspezische Weltanschauung in materiellen Objekten sichtbar zu machen, sie für die Gemeinschaft zu visualisieren, erinnerungsfähig und damit kommunikabel zugestalten.
Die charakterisierenden Merkmale der Ornamentik der Ritualtextilien der Atoin Meto beziehen sich auf drei interdependente Aspekte der Gewebe:

Donnerstag, 30. April 2020

Was einst der Adel trug, trägt heute jeder


In ihrem kulturellen Kontext betrachtet machen Textilien, besonders als Kleidung oder Tracht, Aussagen über Einstellungen, Werte und Überzeugungen ihrer Träger. In relativ geschlossenen Gesellschaften, wie die der Atoin Meto Amanubans jenseits der Provinzstädte noch immer ist, schafft symbolische Kommunikation nicht ohne weiteres neue Aussagen. Sie werden dann von den Rezipienten nicht mehr verstanden werden und verlieren ihre expressive Funktion. Bedeutungssyteme einer Gesellschaft, die auch ihrer Ikonographie zugrunde liegen, können nicht von einem Individuum erzählt werden.

Samstag, 14. März 2020

Textilmanufaktur Mellu


Ich kam nach Amanuban, um die Bedeutung der Ikonographie der Tracht der Atoin Meto zu verstehen. Es muss Ende der 1970er Jahre gewesen sein, ich befand mich mitten in meinem Studium der Völkerkunde an der Albertus-Magnus-Universität zu Köln. Waldemar Stöhr war damals Kurator am Rautenstrauch-Joest-Museum und mit Ostindonesien befasst. Von ihm stammt die spannende Studie über die altindonesischen Kulturen, die mich beeindruckt und beeinflusst hat. Und auch die Ausstellung über diese Kulturen war sein Werk, ganz oben, fast verstaubt, unter dem Dach des Museums untergebracht. Ich war damals noch naiv und unerfahren, glaubte, ein Studium der Völkerkunde habe mit Abenteuern in fremden Ländern zu tun, dachte wahrscheinlich an Reisende, Forscher und Entdecker, an eine Mischung aus 1001 und eine Nacht, an Fenimore Cooper, F. Gerstecker oder Karl May in Personalunion. Das war am Anfang dieser Disziplin nicht viel gewesen, in 18., 19. und frühen 20. Jahrhundert. Ende des 20. Jahrhunderts hatten die dürren Fakten über die Inspiration gesiegt. Das Fiktive, Imaginäre, Visionäre und Mysteriöse, da weder wirtschaftlich noch politisch verwertbar, führte in der Ethnologie nur noch ein Schattendasein. Lediglich seinen Unterhaltungswert leugnete man nicht.

Montag, 17. Februar 2020

Das Eigene und das Fremde


Die Atoin Meto verwenden zwei Begriffe, die dazu dienen, die Erfahrungen in und mit ihrer Umgebung in Vertrautes, Einheimisches, schon immer Gewesenes und Bekanntes sowie neu Erworbenes, Fremdes und Unbekanntes zu ordnen:

Dienstag, 28. Januar 2020

Endlich in Amanuban


Im Zweilicht der kurzen Dämmerung der Tropen hält ein großer Überlandbus aus Kupang in Oebesa. Die vierstündige Fahrt von Kupang herauf war anstrengend, der Bus bis auf den letzten Platz besetzt. Im Gang waren die Notsitze ausgeklappt, Säcke, Taschen und an den Beinen gefesseltes Geflügel verstopfte die letzten freien Stellen. Unter die linke vordere Sitzbank hatte jemand mitleidlos ein Schwein geklemmt, dessen ängstliches Grunzen schwer zu ertragen war. Auf dem Dach des Busses sah es nicht viel besser aus. Die meisten Fenster fehlten, die übriggebliebenen und die beiden Türen standen offen. Ich saß fröstelnd im Fahrtwind, das Hemd noch feucht von der schwülen Luft der Ebene, die auch Nachts anhielt. Erst als der Bus an Höhe gewann, wurde es kühler. Den einheimischen Passagieren ging es nicht besser. Sie hüllten sich in ihre farbenprächtigen Tücher und blickten stoisch in die Nacht. An der hinteren Tür hatte es sich der Schaffner bequem gemacht, ein junger Mann, der in jedem Ort aus der Tür hing, und den Passanten die Fahrtroute zurief.

Montag, 13. Januar 2020

Ein Greenhorn in Amarasi


Für meinen ersten Ausflug aus dem Schutz der Stadt wähle ich Baun, eine Ortschaft im Regierungsbezirk Kupang; Landkreis Westamarasi. Dieses Mal will ich es allein versuchen, auf dem Land, mich von jeglicher Bevormundung durch Nachbarn oder Behörden befreien. Keine Empfehlung mehr, nicht mehr an die Hand genommen werden von Gutmenschen, die glauben, besser zu wissen, wonach ich suche, als ich selbst. Meine Versuche, eine Basis für meine Forschung zu finden, waren bisher enttäuschend. Es fällt mir noch immer schwer, mich für eine Region, eine bestimmte Ortschaft, zu entscheiden. Forschende, die sich von einer örtlichen Institution den Weg weisen lassen, haben es einfacher. Mir war es wichtig, nicht als Repräsentant von Irgendwem zu erscheinen. Trotz allem stellte es sich als sehr schwierig heraus, diese Rolle schließlich los loszuwerden.

Donnerstag, 26. Dezember 2019

Weihnacht


Es ist Heiligabend. Für indonesische Verhältnisse kommt Mikhael Ruron pünktlich mit seiner Familie ins Hotel, um uns abzuholen. Wir sind inzwischen seit fast einen Monat in Kupang. Vor zwei Wochen habe ich ihn während einem meiner Behördengänge kennengelernt, wo er als Jurist beschäftigt ist. Er stammt aus Lamaholot in Ostflores, und arbeitet seit zwei Jahren für die Provinzregierung von Nusa Tenggara Timur als Sachbearbeiter. Seit sechs Monaten ist er im Direkturat Sosial Politk angestellt, dem Innenministerium. Seine Stelle als Sachbearbeiter im DIR SOS POL interessiert ihn nicht. Sie sei nur untuk hidup, um zu leben. Er hat in Semarang studiert, dort seinen Sarjana Hukum gemacht. Nach dem Studium blieb er lange arbeitslos. Wie so viele. Die meisten Beamten in den indonesischen Behörden sind hochqualifiziert ausgebildet und schlecht bezahlt. Oft nicht entsprechend ihrer Ausbildung und Begabung beschäftigt.