In Soë ist Eli bekannt wie ein bunter Hund. Und ein solcher ist er auch, denn seine Kleidung, sein Auftreten und seine Rolle sind mehr als unkonventionell. Eli, eigentlich Elias, ist Mitte Dreißig, schlank, für einen Atoin Meto, groß, mit schwarzen, gekräuselten Haaren. Attraktiv und charmant, mit einem wachen Blick, aus dem immer der Schalk blinzelt. Der Kontakt mit ihm ist einfach, auch wenn er schnell intensiv wird, leicht emotional berührt und berührend. Er sucht Körperkontakt, ohne aufdringlich zu sein, und zieht sich schnell lachend zurück. Er genoss das Spiel von Annäherung und Zurückweisung.
Eli lebte für einige Jahre in Australien, wo er in Bars arbeitete, und ist erst neuerdings nach Soë zurückgekehrt. Er gibt sich gern selbstgewandt, und mit ihm zu plaudern, erinnert mich immer an die heimelige Atmosphäre im Kreis meiner Tanten, wenn es an Sonntagnachmittagen Kaffee und Kuchen gab. Am leichtesten begegnet man Eli am Pasar Lama, wo ihn alle kennen und mögen. Doch er passt nicht so recht ins Bild protestantischer Genügsamkeit, auch wenn die protestantische Lebensart in Amanuban wenig mit ihrer deutschen Version gemeinsam hat. Die Oberfläche scheint vertraut, aber schon etwas tiefer bleibt Raum für gut getarntes Indigenes. Worüber niemand gerne spricht.
Menschen wie Eli trifft man auch anderswo. Ich bewundere immer Frauen und Männer, die standhalten, schreibt Andreas Altmann in seiner Gebrauchsanweisung für Heimat. Die als Einzelstück darherkommen. Er erzählt von dem Kongolesen Monsieur Clémont, der erste leibhaftige Sapeur, dem ich begegnete, Menschen, mit ihrer Sehnsucht, sich herauszuputzen, ihr letztes Geld für Kleidung auszugeben, ihrem persönlichen Bestehen auf ihrer Einzigartigkeit. Sie proben den Auftstand gegen die Trostlosigkeit ihrer Umgebung, bewegt von dem Wunsch, auf keinen Fall so zu verwahrlosen, so enden zu dürfen wie das Ambiente, in dem sie leben. In westafrikanischen Mali traf Michael Obert den Sapeur Doudouyou, den er als Dolmetscher während seiner Reise auf dem Niger beschäftigte. Die erste Begegnung mit ihm schlidert er in Regenzauber: Mit dicken Kayalstrichen, die seinen Blick intensivieren, mit rotem Lippenstift, einem neongrünen Hemd und orangefarbenen Schuhen betritt er die Bühne von Oberts Reiseroman. Hinter ihm führte ein Junge einen Eselskarren, auf dem ein riesiger Koffer lag [...] Den meisten Platz nahmen drei schwere Mäntel ein.
»Ich glaube nicht, dass es unterwegs kalt wird«, sagte ich.
»Es ist nicht wegen der Kälte«, sagte Doudouyou. »Diesen hier werde ich an ganz gewöhnlichen Abenden tragen« - ein dunkelbrauner Wollmantel - »diesen bei Feuchtigkeit oder Regen« - ein schwarzer Ledermantel mit groben Futter - »und den hier bei besonderen Anlässen« - ein eleganter Lodenmantel aus Kamelhaar.
Es ist noch früh am Morgen, als mir Eli ein letztes Mal über den Weg läuft. Ich bin mit dem Motorrad unterwegs, zurück vom Kantor DEPDIKBUD nach Hause. Eli steht am Straßenrand, winkt mir zu, deutet an, anzuhalten. Er sucht eine Mitfahrgelegenheit nach Hane, erklärt er mir, einige Dutzendkilometer westlich von Soë, in Westamanuban, an der Überlandstraße nach Kupang. Den Bus hat er verpasst. Er trägt ein rosafarbenes, knielanges Kleid, plissiert und mit Spitzenbesatz am Halsauschnitt und kurzen Ärmeln; eine schwarze Handtasche aus genopptem Leder in der Armbeuge. Dazu High Heels, auf denen er sich erstaunlich sicher bewegt, bestimmt nicht zum ersten Mal. Sein Haar ist frisch frisiert, und glänzt in der Morgensonne, seine Augen mit schwarzem Lidstrich betont. Goldene Ohringe drängen zwischen dem dichen Haar ins Freie. Doch es ist das erste Mal, dass ich ihn so aufgemacht sehe. Eli wirkt etwas nervös, überspielt nonchalant meine Überraschung, und lässt sich nichts anmerken. Ehe ich mich entschieden habe, sitzt er auf dem Sozius und wir sind unterwegs nach Hane, obwohl ich keine Zeit für eine Spritztour eingeplant habe. Anderthalb Stunden später fahren wir, gefolgt von johlenden Kindern und den Blicken schmunzelnder Erwachsener, in Hane ein. Sie kennen ihn, denn sein Onkel lebt im Ort. Eli genießt seinen großen Auftritt hinter mir auf dem Motorrad. Ein schneller Dank, ein Lächeln, eine leichte Berührung an der Schulter, und Eli verschwindet zwischen Häusern von Hane.
Homophile Weber
Den ersten Kontakt mit Transvestiten, Männern, die das Leben einer Frau leben, vermittelte mir Jeremia Mellu, Besitzer eines Handwerkbetriebs in Niki Niki, der Textilien für den lokalen Markt produzierte. Obwohl ich Eli längst kannte, ihn aber nicht besonders ungewöhnlich fand, dauerte es noch Monate, bis die webenden Männer von Amanuban wieder in mein Blickfeld gerieten. Die Zeit reichte nicht mehr aus, um ein weiteres Forschungsprojekt zu organisieren, obwohl es mich unter den Nägeln brannte. Ich dachte darüber nach, biographisch zu arbeiten, und wollte mehr über die Sozialisation und die Lebensbedingungen dieser Männer erfahren. Ein Unternehmen, wie ich einsehen musste, dass viel zu intim und sensibel war, um es in wenigen Wochen zu realisieren, denn diese Männer waren zurückhaltend, schüchtern, sogar verunsichert, irritiert von dem, was ich von ihnen wollte. Niemand von ihnen war wie Eli, und Eli hatte noch nie an einem Gurtweggerät gesessen, geschweige denn die traditionelle Rolle einer Frau eingenommen. Daran dachte er nicht in Traum: Eli war ein Künstler, ein Star, mehr eine Dragqueen. Was ich über die homophilen Weber in Erfahrung brachte, habe ich gehört, mir erzählen lassen, oder unbeabsichtigt gefunden, sodass alles, was ich über sie schreiben kann, auf unstrukturierten Begegnungen, persönlichen Beobachtungen und Eindrücken, Statements von Nachbarn sowie auf einigen Versuchen beruht, standardisierte Interviews mit ihnen zu führen.
In der Textilmanufaktur Mellu lernte ich Otniel Be`es kennen, einen der webenden Männer, den mir Jerimia Mellu fast wie einen Exoten präsentierte, in einer Kultur, die männliche und weibliche Eigenschaften und Bereiche zwar polar ordnet, sich ihre Überschneidung jedoch für rituelle Anlässe vorbehält. Während dieser ersten Begegnung mit einem webenden Mann erkannte ich die sich mir bietende Gelegenheit nicht, da ich mit der Lösung einiger Rätsel der Ikonographie des Atoin Meto Textil-Designs viel zu beschäftigt war. Ich trug fixierende Scheuklappen, eine negative Begleiterscheinung der Konzentration auf einen einzigen Gegenstand. Mein Interesse war mehr auf die Herstellung und Musterung der Textilien gerichtet, sodass ich ihre Hersteller aus den Augen verlor.
Als ich Tage später Naomi, die meine Frau in der Weberei der Atoin Meto unterichtete, auf Otniel ansprach, erzählte sie, dass er keine Ausnahme darstellt, und dass sie selbst zwei dieser Männer kennt. Webende Männer, so Naomi, werden Non Bife genannt. Das bedeutet, erklärt sie, diese Männer kennen sich in allen Arbeiten aus, die Frauensache sind, unter anderem in der Weberei. Ihr Kichern, die vor den Mund gehaltene Hand, wies darauf hin, eine Peinlichkeit angesprochen zu haben. Nur worin diese Peinlichkeit bestand, blieb unklar. Von Naomi war nicht mehr zu erfahren. Nur den Namen und Wohnort der beiden Männer verriet sie mir: Cornelis Talan, Kampung Aman in Oepuah, Soë, und Yehuda Tuke in Hane.
Wie üblich klärte ich jeden neuen Begriff des Uab Meto, der mir meiner Arbeit begegnete, etymologisch auf. Doch den entscheidenden Hinweis gab wieder einmal Johanis Nahak, Rektor einer Grundschule in Soë und Mitglied in der Volksvertretung (Anggota DPR). Wenn auch unter Männern einfacher, und weil Johanis Nahak ein moderner, aufgeklärter Indonesier ist, Noamis Unbehagen war wieder spürbar, wenn auch schwächer. Nahaks Erläuterungen begannen mit einer Ablenkung, mit einem Missverständnis, wie ich anfangs dachte. Erst später fiel mir auf, dass er sich bemühte, auszuweichen. Er tat einfach so, als hätte ich mich verhört. Anstatt auf Non Bife einzugehen, brachte er das ähnlich klingende, harmlose noen bife, eine Frau rufen, ins Gespräch. Als Lehrer war er gründlich, und wie es seiner Art des Unterrichts entsprach, steuerte er noch bolin bife bei, die Bezeichnung für den für Frauen charakteristischen Ausruf des Erstaunens. Ich war unzufrieden, denn nichts von dem, was Nahak mir anbot, wies in die Richtung, die ich vermutete, und erst als ich insistierte, gab er schließlich nach und überwand das enge Korsett christlicher Sexualmoral.
Non Bife, räumte er letztlich ein, sind Männer, die in ihrem Selbstverständnis, ihrer Lebensweise, ihrem Verhaltens sowie ihrer Persönlichkeit eigentlich Frauen sind. Unverheiratete Männer, die den gesamten Bereich der Frau kennen, ihn ausführen und darin leben. Non, erläutert er, ist die abgekürzte Form von nonot, in der Bedeutung von Gewohnheit, Tradition, aber auch von Vorstellung oder Idee. Bife dagegen ist das Uab Meto Wort für Frau.
Die Reaktion von Johanis Nahak darauf, dass Männer wie Frauen leben, möglicherweise Frauen sind, diese geschlechtliche Ambivalenz, dieses Dazwischen-Sein, verunsicherte ihn, der sonst so souverän auftrat. Zögerlich, mit angewiderten Gesichtsausdruck, beantwortete er meine Fragen. Nicht ohne anzudeuten, dass sich eine solche Lebensweise nicht gehört. So weit gehen, dass sie gegen die regionale Adat verstößt, wollte er nicht. Im Moment war ich mit dieser vordergründigen Erklärung zufrieden. Erst viel später erfuhr ich, dass in der Bezeichnung Non Bife für die webenden Männer noch eine ganz andere Bedeutung mitschwingt.
Die Atoin Meto lieben das Spiel mit Nuancen und Andeutungen als Basis ihrer auf gegenseitigem Respekt gründenden Höflichkeit. Darauf legen sie großen Wert. Eher würden sie sich selbst erniedrigen, als Ihr Gegenüber öffentlich abzuwerten. Den groben, abwertenden Klang, den die Bezeichnung Non Bife heutzutage enthält, nämlich die Vermutung, diese Männer seien impotent, äußern sie allenfalls hinter vorgehaltener Hand.
Ich habe nie richtig verstanden warum Johanis Nahak schließlich mit einer alternativen Anrede aufwartete. Vielleicht um uns beiden, wie er hoffte, einen Ausweg aus der entstandenen Peinlichkeit zu bieten, die schwer auf unserer Diskussion lag. Eine höfliche und respektvolle Bezeichnung für webende Männer lautete einst Non fenai. Fenai, so Nahak, ist die Abkürzung von feotnai, die respektvolle Anrede für die Töchter des Atoin Meto-Adels. Dieser Begriff setzt sich aus dem metathesierten Adjektiv feto, in der Bedeutung von weiblich und nain, Erde, in der Bedeutung des landwirtschaftlich nutztbaren Bodens zusammen. Eine Feotnai ist die Tochter eines Herrn des Bodens. In der Weltachauung der Atoin Meto ist die Erde der weibliche Pol des Kosmos und der Ursprung allen Lebens. Non(ot) Feotnai, die Gewohnheit der Tochter des Bodens, wenn es die in der Kultur der Atoin Meto gegeben habe sollte. Möglicherweise unter einer anderen Bezeichnung. In Alltag und Umgangssprache scheint Non Bife heutzutage die geläufige Bezeichnung und allgemein in Gebrauch zu sein. Die Situation ist mit der Einführung einer Fenai, eines neuen Namens oder Konzepts, nicht deutlicher geworden. Auch heute frage ich mich noch, wo Johanis Nahak diese Erklärung hergeholt hat, und in welcher Beziehung Non Bife und Non Feotnai wirklich stehen. Plausible Spekulationen sind durchaus möglich, wenn auch unsicher und nicht verifizierbar.
Ein paar Tage später erzählte ich Andrew McWilliam, einem australischen Anthropologen, der zu diesem Zeitpunkt als Entwicklungsberater im Kantor Bangdes in Soë angestellt war, von meiner Bekanntschaft mit Otniel Be`es. Er erzählte mir, dass er im benachbarten Kecamatan Timor Tengah Utara, das sind die Territorien Insana und Beboki, webende Männer getroffen hat. Während er noch von einer Cross Over Identity sprach, warf ein Mitarbeiter das indonesische banci, Homosexueller, Transvestit, in die Runde. Spätestens jetzt war allen klar, um welche Männer es sich bei den webenden Männern handelte, obwohl mir der Begriff homophile Weber mehr zusagt.
Ich war mit der Absicht nach Amanuban gekommen, um über formale, funktionale und symbolische Aspekte der Atoin Meto-Tracht zu forschen, die in Alltag und Ritual dieser Kultur eine besondere Rolle spielen. Seit der Studie Sprekende weefsel von Johannes H. Jager Gerlings (1952) über die kulturelle Relevanz von indonesischen Textilien besteht die Auffassung, dass Gewebe mit ritueller Funktion weiblich konnotiert sind und daher in die Sphäre der Frau gehören, die auch ihre Urheber sind. In einzelnen Fällen sind Verbote für den Mann bekannt, das Webgerät zu berühren. Der Grund für dieses Verbot gründet ebenfalls in der Weiblichkeit dieser Textilien, sowie der Sphäre, der sie angehören. Für den Toraja im Süden Sulawesis war die Berührung des Webgerätes einst gleichbedeutend mit der Berührung der Vagina einer Frau, und dem Atoin Meto-Mann drohte einst der schlimme oder unreife Tod (maet mone`), wenn er selbst Gewebe herstellte. Weiblichkeit impliziert Passivität und eine innige Verbundenheit mit der inneren Sphäre der Hofes, symbolisiert im Ume kbubu, dem indigenen Wohnhaus, in der Idealvorstellung die Gebundenheit an den Siedlungsplatz. Zur Idealvorstellung von Männlichkeit gehören physische Aktivität sowie eine resultierende Mobilität, die ihn hinaus in die äußere Welt bringt, wo die Verantwortlichkeit der Männer in der Sorge für die Gemeinschaft zu gewährleisten ist. Ein Mann, der Gewebe herstellt, verliert die Möglichkeit des Umherschweifens in der Welt, die jenseits der Umzäunung seines Hofes beginnt. Die Androhung eines schlimmen Todes diente der Bewahrung der Grenze zwischen den Geschlechtern und beugte einer Vermischung weiblicher und männlicher Sphären im Alltag vor. Die homophilen Weber entziehen sich der Androhung des schlimmen Todes durch eine Mimikri, die Übernahme der weiblichen Rolle, die sie an die Wohn- und Produktionseinheit Ume kbubu bindet. Sie verlieren die den Mann auszeichnende Mobilität, werden symbolisch impotent, oder wie ein Psychoanalytiker es ausdrücken würde, depotenziert. Im modernen, indonesischen Kontext erwerben sie den Ruf der Anomalität.
Biographiearbeit in Amanuban: Ein Fragment
Die biographischen Erzählungen von homophilen Webern in Amanuban gebe ich nur unter folgenden Einschränkungen wieder:
- es besteht kein Anspruch auf die Erhebung einer Gesamtbiographie;
- es besteht kein Anspruch auf die Re-Produktion vergangener faktischer Wirklichkeiten;
- es besteht jedoch ein Anspruch auf die Auseinandersetzung mit der aktuellen, subjektiven Befindlichkeit des Erzählers hinsichtlich bestimmter Ereignisse seiner Vergangenheit, die als markant zu werten sind sowie deren soziale und psychische Auswirkungen auf das Leben und die Persönlichkeit des Erzählers;
- Erzählanstösse sind das methodische Mittel, diese vergangenen Ereignisse in die Erinnerung des Erzählers zu heben und artikulierbar zu machen. Nur markante Ereignisse bleiben dauerhaft erinnerbar. Sie sind reproduzierbare, von Subjektivität geprägte Einheiten, die eine zeitliche Ordnung strukturiert. Gerade deshalb wirken sie auch in interdependenter Weise zusammen.
Ich sage es gleich: Die Umsetzung meiner Leitlinien sind nur in Ansätzen gelungen. Die Präsentation von biographischen Texten in Amanuban Mon Amour, individuelle Leben gegen die Konvention, die Umkehrung kultureller Konzepte und Ideale, ermöglicht eine besondere Perspektive. Es ist dies die Perspektive des Außenseiters auf seine Kultur, der er trotzdem untrennbar verbunden bleibt. Das Leben androgyner Männer, die in einer Männlichkeit als Privileg definierenden Kultur zur Frau geworden sind, die Perspektive von Menschen, die an beiden, der weiblichen und der männlichen Rolle partizipieren. Sie entscheiden sich, die weibliche Rolle zu leben, weil sie ihrer Selbsteinschätzung entspricht. Dies ist in Amanuban einfacher als im Westen, da ihre Mitmenschen nicht dazu tendieren, sie auf die Übernahme der männlichen Rolle festzulegen.
Diese Überlegungen führten dazu, die sich mir bietende Gelegenheit zu nutzen, der einseitigen Informationslage entgegenzutreten, und auch den Mann, als Transvestiten und kompetenten Hersteller weiblich klassifizierter Textilien vorzustellen. Seine Produkte sind, gemessen an der Gesamtheit der Atoin Meto-Textilien, marginal und ohne besondere Bedeutung; ihre Existenz jedem Atoin Meto vertraut, denn homophile Weber lebten einst in vielen Dörfern. Ich entschloss mich spontan, meinem wachsenden Interesse an den homophilen Webern nachzugehen, und den Versuch zu wagen, Erzählanstöße für biograpische Texte zu initiieren. Meine einzige theoretische Stütze war eine Magisterarbiet, die mir Dr. Ulla Johansen schickte, deren Titel und Autor ich leider nicht mehr erinnere. Aus dieser Untersuchung zu den Methoden der ethnologischen Biographiearbeit sind Thesen in meine Arbeit eingeflossen, für die ich mich, wenn auch anonym, bedanke. Mir war bewusst, dass ich ungenügend vorbereitet war, und dass meine Arbeit an der Ikonographie der Tracht, im letzten Drittel meiner Feldforschung, darunter leiden könnte, wenn ich den Fokus erweiterte oder sogar verschob. Doch mich bedrängte die Frustration, in einer Sackgasse zu sein, immer mehr. Nachdem die Zusammenarbeit mit meiner Frau an der technologisch-ergologischen Dimension der Handweberi in Amaunban abgeschlossen war, bekam ich zunehmend den Eindruck, über die Bedeutung der Motive sei alles gesagt. Meine Forschung benötigte einen neuen Impuls. Insofern begegnete ich den homophilen Webern im richtigen Augenblick. Ohne konkretere Vorstellungen entwarf in ein methodisches Konzept und wählte Cornelis Talan und Otniel Be`es, zwei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, für ein biographisches Interview aus. Was an homophilen Webern interessant und für die ethnologische Forschung wichtig sein könnte, fühlte sich trotzdem vage an. Ich überließ ich mich anfänglich dem Gefühl, auf etwas gestoßen zu sein, dass ich nicht ignorieren wollte. Mit der Produktion biographischer Texte plante ich unmittelbare Einsicht in die Lebenswelt dieser Männer zu gewinnen, und darüber hinaus mein Verständnis des alltäglichen Lebens in Amnuban zu vertiefen. Die Atoin Banamas so zu verstehen, wie sie sich selbst wahrnehmen.
Persönlichkeit und Kultur interagieren. Deshalb spiegeln biographische Texte subjektive Aussagen über erlebte Wirklichkeit und den kulturellen Kontext wider, in dem sie stattfinden. Biographische Texte sind subjektive Konstrukte, die grundsätzliche Überzeugungen über das Wesen der kulturellen Wirklichkeit enthalten. Methodisch stützte ich mich auf themenzentrierte Interviews, deren Anknüpfungspunkt die Herstellung von Textilien sein sollte, auf Interviews, die hauptsächlich offene Fragen nutzten. Ich entschied mich für den Dialog des Erzählers mit dem Zuhörer, eines Zuhörers, der nur verbal in die Textproduktion eingreift, um Detaillierung, Kondensierung sowie Gestaltschließung zu garantieren. Letzten Endes unterschied sich die vor mir liegende Arbeit nicht sehr von meiner bisherigen: Interviews mit offenen Fragen hatte ich bisher unzählige geführt. Doch es sollte sich schnell herausstellen, dass sich die Interviews, die mir vorschwebten, sehr viel schwieriger realisieren ließen, als diejenigen über textile oder historische Fragen, die keine intimen Bereiche berührten. Was entstand, war keine Wirklichkeit im Sinne objektivierbarer Sachverhalte, sondern eine im Dialog ausgehandelte und produzierte, biographische Wirklichkeit, die sich an einem Dschungel von Abwehrmechanismen abarbeitete: das Ergebnis einer einmaligen Interaktion zwischen Erzähler und Zuhörer, die beide einem unterschiedlichen, kulturellen Kontext verbunden waren. Der Unvollständigkeit und mangelnden Systematik zum Trotz veröffentliche ich diese Fragmente biograpischer Arbeit mit homophilen Männern. Ich bin der Meinung, es lohnt sich ebenfalls, an zwei webende Männer Amanubans zu erinnern, an Cornelis Talan und Otniel Be`es, die ich am besten kennengelernt habe.
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